Die Tränen der Massai
afrikanischen Göttern beten, Malaika«, sagte Jack, als sie neben ihm zum Parkplatz ging. »Bear ist in der Stadt gefährlich genug. Stell dir vor, was er dort draußen anrichten könnte.«
»Dir wird schon nichts passieren.«
Tingisha hatte sich umgedreht und wartete auf Jack.
»Jede Wette.« Er küsste sie auf die Nase. »Wir sehen uns in ein paar Stunden. Pass auf dich auf.«
Er wartete, aber sie reagierte nicht.
»Ich glaube, ich kenne dich inzwischen ziemlich gut.«
»Warum sagst du das?«, fragte sie lächelnd.
»Weil ich merke, wenn du rot wirst.«
Sie senkte einen Moment den Blick. »Es ist nur, na ja, du weißt schon, die Sache mit den Zebrapaaren.« Sie zeigte auf die Gruppe, die nun am Rand des Parkplatzes wartete.
»Heißt das, ich bekomme keinen Kuss, der mir Glück bringt?«
Sie legte die Hand an seine Wange. »Da. Viel Glück.«
Jack nahm ihre Hand und drückte sie, bevor er zu den anderen ging.
Bear schwatzte mit der Blonden und ihrem Mann, dessen Hemd bereits in seinen Achselhöhlen, auf dem Bauch und dort, wo es seine feisten Schultern und den Rücken berührte, schweißnass an ihm klebte. Tingisha wartete, bis alle beisammen waren, dann ging er mit gemäßigtem Schritt weiter, eine uralte Schrotflinte in der Armbeuge. Der Journalist und seine Frau gesellten sich hinter ihm zu Jack. Nach kaum hundert Schritten versuchte die Dame mit dem orangefarbenen Haar bereits, den Massai in ein Gespräch zu verwickeln. Seine Antworten waren kurz, aber höflich.
»Tingisha, ich habe eine Frage«, bohrte sie unbeirrt weiter. »Wird diese alte Schrotflinte genügen?«
Er schaute auf sie herab. »Wir Massai mögen keine Schusswaffen«, sagte er und betrachtete die Flinte angewidert.
»Aber wenn ein Löwe angreift, wird sie genügen?« Sie fügte ein nervöses Kichern hinzu und warf ihrem Mann einen Bestätigung heischenden Blick zu.
»Der Löwe wird nicht kommen, wenn ich, äh, mit Ihnen unterwegs bin.« Tingisha schien zu wissen, wie die nächste Frage lautete, noch bevor sie gestellt wurde. »Der Löwe und die Massai sind geborene Feinde. Löwen, äh … sie fürchten uns. Ein Löwe wird vor dem
Morani
fliehen. Er wird nicht gegen ihn kämpfen. Wenn er das tut, äh, dann wird er sterben.«
»Oh«, sagte die Rothaarige leise und blieb dann bald in der relativen Sicherheit in der Gruppe zurück.
Die Sonne wanderte über den Nachmittagshimmel, und bei jedem Schritt schien Hitze aus den kleinen Staubwolken aufzusteigen, die um Jacks Füße tanzten. Er wischte sich mit dem Arm über die Stirn, aber einen Augenblick später lief der Schweiß schon wieder an seinen Schläfen entlang und tropfte ihm von der Nase.
Sie waren gezwungen, in einer Reihe hintereinander durch das hohe, wogende Gras zu gehen, das den schmalen Pfad säumte und hin und wieder ihr Blickfeld auf wenige Meter beschränkte. Der staubige Weg dämpfte das Geräusch ihrer Schritte, und die Gruppe verfiel nach einer Weile in ein Schweigen, das zu der intensiven Stille, die sie umgab, zu passen schien. Die Spannung wuchs. Das Schweigen nährte die Nervosität. Das Haar an Jacks Unterarmen wurde gegenüber der geringsten Luftbewegung empfindlich. Hinter ihm musste die Rothaarige kleine Trippelschritte machen, um mitzukommen. Jack warf einen Blick zurück zu Bear und sah sich bei jedem Geräusch und jeder Bewegung nach allen Seiten um.
Tingisha schien das alles nicht zu stören. Er wandte sich Jack zu, der direkt hinter ihm in der Reihe ging, und fragte: »Und Ihre Freundin wollte nicht, äh, mit uns kommen?«
»Nein. Sie ist müde. Außerdem denke ich, sie kennt das alles schon.«
»Ja. Sie ist Massai.«
Die Gruppe ließ das hohe Gras hinter sich. Vereinzelt war Wild zu sehen. Tingisha begann, knappe Erklärungen zu geben: »Gnu.« Er zeigte auf ein halbes Dutzend der knochigen Tiere, die die Touristen aus sicheren hundert Meter Entfernung anstarrten. »Massai-Giraffe«, fuhr er fort, aber er gönnte den Tieren kaum einen Blick, sondern starrte den Weg vor ihnen an und ging gnadenlos weiter. Der Weg wand sich durchs Grasland, und hin und wieder gab es dürre Büsche. Grashüpfer sprangen vor ihnen aus ihren brüchigen Verstecken. Große schwarze Käfer mit den aerodynamischen Eigenschaften einer Scheune versuchten angestrengt, sich in die Luft zu erheben.
Jedes Mal, wenn die Gruppe eine Lichtung erreichte, sahen sie mehr Tiere. »Warzenschwein … Steppenzebra.« Die Namen flogen über Tingishas Schulter wie Futter, das man einem
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