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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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Fehler.« Er wich ihrem Blick aus.
    Sie schaute ihn einen Moment an, dann wandte sie sich der Theke zu und wunderte sich über diese Seite von Jack – eine Seite, die sie an ihm noch nicht gesehen hatte.
Wie lange dauert es, bis man jemanden wirklich kennt? Ist das wirklich jemals möglich?
Sie machte sich auch Gedanken, weil Bear offenbar mehr über Jack wusste als sie.
    Beinahe eine Stunde nachdem sie sich zu ihm an die Bar gesetzt hatte, wusste Malaika immer noch nicht, um was es ging. Jack war barsch und unkommunikativ. Sogar streitsüchtig. Ihn so zu sehen verstörte sie.
    Schließlich drängte sie ihn, sich zu den anderen zu setzen, und zog ihn sanft zu dem Tisch, wo die Gruppe beinahe fertig gegessen hatte. »Wo ist der
Askari?«
Der Mann der Blonden hob seine Stimme. »Er sollte hier sein und mit uns feiern.«
    »Er ist irgendwo da draußen«, antwortete Stewart von der anderen Seite des Tischs. »Ich wollte ihm etwas zu trinken spendieren, aber das ging nicht. Er ist noch im Dienst.«
    »Jack, glaubst du nicht, dass du genug hattest?«, flüsterte Malaika, als er sich ein großes Glas Rotwein eingoss.
    »Weißt du, mein Schatz, manchmal weiß ich nicht, was genug ist. Ich meine, manchmal reichen ein Dutzend Biere. Manchmal ist es eine Flasche Scotch. Aber du solltest dir keine Sorgen machen, okay?«
    »Ich mache mir aber Sorgen, Jack! Das hier gefällt mir nicht. Das bist nicht du.«
    »Genau da irrst du dich, Malaika. Ich bin es, ganz bestimmt.«
    »Nein. Das kann ich nicht glauben. Machst du dir wegen irgendwas Sorgen? Bear sagte, du hättest dich über etwas aufgeregt. Ist es das?«
    »Ha! Bear glaubt, dass ich Hilfe brauche.«
    »Nun, wir brauchen alle hin und wieder Hilfe.«
    »Quatsch.«
    »Es ist kein Fehler, sich von Freunden helfen zu lassen.«
    »Ich brauche keine Hilfe. Ich brauche Bear nicht«, sagte er und wies mit dem Daumen auf Bear. »Die da brauche ich auch nicht.« Er machte eine vage Geste zum Tisch. »Und weißt du, was, meine hübsche Prinzessin – dich brauche ich ganz bestimmt nicht.«
    Sie war erschüttert. Sie öffnete ungläubig den Mund und wartete darauf, dass er die Bemerkung zurücknahm. Er tat es nicht. »Ich gehe zu Bett.« Sie schob den Stuhl zurück und ging.
    Sobald sie den Essbereich verlassen hatte, war es beinahe vollkommen finster. Sie ging langsamer. Nur ein schmaler Mond stand am Himmel und warf sein schwaches Licht auf die Kieselsteine des Wegs. Hin und wieder blitzte es, ein stummes Zeugnis des Gewitters am östlichen Horizont, und das half ein wenig. An einer der vielen Abzweigungen blieb sie stehen und versuchte, sich zu erinnern, welches der Weg zu ihrer
Banda
war. Die Abzweigung nach rechts wirkte ein wenig schmaler. Hinter ihr erklang leise Musik. Sie fragte sich, ob sie vielleicht zum Essbereich zurückkehren sollte, aber dann erinnerte sie sich an Jacks Tonfall, wurde erneut zornig und ging, ohne länger nachzudenken, den linken Weg entlang.
    Sie atmete die schwere Nachtluft ein, die üppig warm und von dem Versprechen von Regen erfüllt war. Jack hatte gesagt, es sei mehr ein Geschmack als ein Geruch. Er hatte Recht. Sie konnte sich das trockene Savannengras vorstellen, die verkrüppelten Büsche und die durstigen Bäume, die jede Pore öffneten, um sich daran zu laben. Sie blieb stehen und holte abermals tief Luft. Diesmal hob sie die Schultern, um ihre Brust so gut wie möglich zu füllen. Es verschaffte ihr einen klareren Kopf. Sie wollte das Gespräch mit Jack wegwaschen.
    Der Weg wand sich durch einen dunkleren Bereich, wo ein paar Bäume das schwache Mondlicht vollkommen absorbierten. Etwas huschte ins Gebüsch. Malaika blieb stehen und wagte kaum zu atmen, damit ihr Atem und ihr klopfendes Herz nicht die Geräusche rings um sie her übertönten. Sie eilte weiter, aber eine Wurzel ließ sie stolpern, und sie fiel auf den weichen Boden.
    Ein Paar Füße in Sandalen tauchten vor ihr auf. Es war Tingisha, der eine Kerosinlaterne in der Hand hatte.
    »Äh, welche Nummer hat Ihre
Banda?«
    »
Was?«, fragte sie und stand wieder auf.
    »Die Nummer Ihrer
Banda,
Madam«, wiederholte er auf Swahili.
    »Zweiundzwanzig!«, sagte sie rasch. »Warum? Ich weiß, wo ich hingehe.«
    »Ja.« Er ging den Weg, den sie gekommen waren, zurück, und die Laterne malte ein schaukelndes Muster in die Dunkelheit. Malaika blieb einen Augenblick stehen, bevor sie ihm folgte.
    Wo der Weg sanft und schier endlos auf die
Banda
zuführte, lag ein weicher tropischer Bodennebel am

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