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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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wollte. Sie musste auf dem Boot sein. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen, ignorierte alle Vorsicht und rannte über den Kai auf den ablegenden Trawler zu.
    Als er die Anlegestelle keuchend erreichte, fuhr das Boot bereits auf den bewegten See hinaus. Es geriet einen Augenblick ins Schlingern, und der Motor fauchte protestierend. Aber der Trawler war für solche kapriziösen Gewässer gebaut, und er würde sich nicht lange an dem Übermut des Sees stören. Bald schon passte er sich dem Seegang an, und das Motorengeräusch wurde ruhiger.
    Jack rannte wieder in Richtung Ufer, in der Hoffnung, irgendwo am Kai ein weiteres Boot zu finden.
    Eine große Taurolle wurde vor ihm über das Geländer geworfen, und ein Mann in glitzerndem, wasserdichtem Umhang mit einem Bündel von Netzen über der Schulter kam nach oben geklettert. Als Jack auf ihn zurannte, riss der Fischer den Mund auf und hätte beinahe die Reling losgelassen.
    Jack stieg hinunter ins Dingi, bevor der Mann auch nur seine Empörung kundtun konnte. Einen Augenblick später hatte er den Außenbordmotor angelassen und fuhr in den Wind.
    Wellen brachen sich am Bug, durchnässten ihn und drohten das kleine Boot zu überfluten. Es wurde schlimmer, als er das Hafenbecken verließ. Das Dingi bockte, aber alles, was Jack als Junge bei Bootsausflügen auf der Broken Bay gelernt hatte, fiel ihm jetzt wieder ein. Er drosselte den Motor, um nicht von den Wellenkämmen zu rutschen, und sah sich um.
    Er hatte das Gefühl, als hätte er Stunden in die dunkle Nacht gespäht und im Regen nach den Lichtern des Fischerboots Ausschau gehalten. Tatsächlich war es nicht länger als fünfzehn Minuten gewesen, aber seine Wahrnehmung der Zeit war durch die vollkommene Einsamkeit auf dem See und durch die finstere Verzweiflung bei dem Gedanken, vielleicht versagt zu haben, verzerrt. Er schob diese Gefühle beiseite. Er konnte sich hier draußen kein Selbstmitleid leisten. Aber er musste immer wieder an Malaika denken, und bei der Vorstellung, sie verloren zu haben, wurde ihm elend. Er musste sie finden.
    Der Trawler war nach Westen in den Wind gefahren. Jack hatte keine Ahnung, ob das Dingi das größere Boot unter diesen Umständen einholen konnte. Jack gab so viel Gas, wie der Wind zuließ, und fuhr ins Maul des Sturms.
    Vielleicht hatte der Trawler kein Licht? Er schaltete den Motor aus. Regen, der von einem starken Westwind herangetragen wurde, schlug Jack ins Gesicht. Zwischen dem Donnern und trotz der rauschenden Wellen bildete er sich ein, ganz leise das Brummen eines Dieselmotors zu hören, doch das Geräusch wurde vom Wind sofort wieder weggerissen.
    Das Dingi lief in alarmierendem Tempo voll Wasser, und als Jack den Motor wieder anlassen wollte, wäre er beinahe über Bord gefallen. Zum Glück brauchte er nur einmal an der Schnur zu ziehen. Er gab Gas, und der Bug hob sich wieder in den Wind. Erfreut bemerkte er einen Hauch von Dieseldämpfen in der Gischt. Er pflügte durch die Wellen, der Regen brannte ihm in den Augen, und er spähte in die Dunkelheit. Ein Blitz zeigte ihm das Ruderhaus des Trawlers, das sich aus den Wellen hob. Er lenkte das Dingi darauf zu und fuhr, so schnell es ging. Es war schwierig, den Abstand zu dem Fischerboot einzuschätzen. Hin und wieder hob sich das Heck des Trawlers hoch über das Dingi und drohte Jack und das kleine Boot zu zerquetschen. Er versuchte sein Glück während einer kurzen Windstille, schoss auf das größere Boot zu und band das Tau an das Schanzkleid am Heck, wobei er die Leine lang ließ, um das Dingi in sicherem Abstand zu halten.
    Er benutzte das Schanzkleid als Deckung und wartete einen Moment, um für den nächsten, gefährlichsten Schritt Luft zu holen. Er nahm an, dass die beiden Männer an Bord mit dem Sturm beschäftigt waren, und verließ sich darauf, dass man ihn nicht gesehen hatte. Aber als er den Kopf über die Reling hob, schoss ein Enterhaken aus dem Dunkeln. Er wich aus, und der Haken verfing sich in der Takelage des Ladebaums. Der Mann, der ihn schwang, fluchte, riss ihn los und zerrte dabei die Ladebaumleine mit. Die Segelstange sackte herunter, bis die Leine sich in der obersten Rolle verfing.
    Jack hatte nur einen Augenblick, um zu reagieren. Er sprang über die Reling an Deck, während der Mann zurücktaumelte und den Haken für einen weiteren Schlag hob. Jack duckte sich, stieß sich mit den Beinen ab, wie sein Footballtrainer ihm beigebracht hatte, rammte ihm den Kopf in den Bauch und presste ihm die Luft

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