Die Tränen der Massai
Energiereserven trat Jack zu und drehte sich, aber Onditis Hand an seinem Fußknöchel war wie ein Schraubstock. Sein eigener Griff am Dingi wurde schwächer.
Malaika umklammerte fest sein Handgelenk, aber als seine Finger abrutschten, konnte sie ihn nicht mehr halten. Er verschwand im schwarzen Wasser.
In vollkommener Dunkelheit packte Jack die Hand an seinem Fuß. Seine Lunge brannte, als er die Finger aufbog, einen nach dem anderen. Endlich war er frei. Er trat wie wild, aber seine Rückkehr an die Oberfläche schien eine Ewigkeit zu dauern. Bei seinem ersten Atemzug saugte er ebenso viel Wasser ein wie Luft. Er hustete und würgte, aber mit Malaikas Hilfe konnte er schließlich ins Dingi klettern.
Sie lagen erschöpft im Boot. Jack beugte sich über die Seite, hustete und übergab sich.
Das Dingi wurde heftig herumgeworfen. Jack kroch auf das Heck zu, wo sich eine beunruhigende Wassermenge sammelte, als er das Gewicht dorthin verlagerte. Er nestelte am Anlassventil herum.
Er zog an der Schnur. Der Motor hustete und verstummte wieder. Die Wellen warfen sie von einer Seite zur anderen.
Jack zog abermals.
Eine weitere Welle traf sie von der Seite, und das Dingi tanzte wild auf den Wellen, während Jack und Malaika sich an die Seitenwände klammerten und versuchten, das Boot wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Jack veränderte die Benzinzufuhr und zog ein drittes Mal an der Schnur. Ein viel versprechendes Stottern, dann Stille. Er pumpte, gab ein klein wenig mehr Gas. Er schaute über die Schulter zu Malaika hin. Sie klammerte sich mit beiden Händen an die Seitenwand. Er zeigte ihr die gekreuzten Finger, dann zog er noch einmal. Der Außenbordmotor erwachte brüllend zum Leben. Jack drosselte das Gas ein wenig, dann legte er einen Gang ein. Das Dingi schoss vorwärts.
Jack zog es herum und fuhr mit Höchstgeschwindigkeit vor dem Sturm her. Die Wellen brodelten in ihrem Kielwasser und drohten sie von hinten zu erfassen.
Kapitel 36
Aus Peabodys Ostafrikaführer (5. Auflage):
Außerhalb von Nairobi und Mombasa ist Wasser aus dem Hahn gefährlich. Benutzen Sie Wasser, das zehn Minuten gekocht hat, gechlortes Wasser (zwei Tropfen reines Sodiumhypochlorid ohne Reinigungsmittel oder Parfümstoffe pro Liter), chemisch geklärtes Wasser oder Wasser aus Flaschen. In Hotels und Lodges wird man Sie mit Flaschen oder Feldflaschen mit Mineralwasser versorgen.
D er Landcruiser überquerte die Eisenbahnschienen bei Musoma. Ein Dutzend rostiger Gleise zog sich über die Straße und darüber hinaus, aber Malaika sah in beiden Richtungen keine einzige Lokomotive und keinen Waggon. Musoma war eine der größeren Städte am tansanischen Ufer des Viktoriasees. In der Schule hatte sie gelernt, dass Musoma es zu Zeiten, als der See der Haupthandelsweg war, an Frachtmengen nach Kenia und Uganda mit Mwanza aufnehmen konnte. Als sie die Schule verlassen hatte, war der Seehandel so gut wie tot gewesen, und die Rivalität zwischen den Städten hatte sich aufs Fußballspielen beschränkt, wobei Mwanza ebenfalls siegte.
Der Sturm hatte während ihrer Fahrt die Küste entlang weitergewütet. Als sie Musoma erreichten, war die Stadt ruhig; alle waren schon ins Bett gegangen. Einen Block vom Bahnhof entfernt befand sich das Railway Hotel.
Der Geschäftsführer rieb sich verschlafen die Augen, stellte Malaika auf Swahili ein paar Fragen und reichte ihr die Schlüssel. Erst dann schien er das abgerissene Aussehen der beiden zu bemerken. Malaika verschränkte die Arme vor dem T-Shirt, das immer noch nass vom See war. Jacks Turnschuhe gaben quietschende Geräusche von sich, als er über den gebohnerten Holzboden ging. An der Tür zu ihrem Zimmer bedachte der Mann Jack noch einmal mit einem kritischen Blick, bevor er ihnen eine gute Nacht wünschte.
Jack wollte das Licht einschalten, aber nichts passierte.
»Er sagte, dass es in der Stadt um diese Tageszeit manchmal keinen Strom gibt«, erklärte Malaika. »Auf dem Nachttisch liegen Kerzen und Streichhölzer.«
Das Kerzenlicht zeigte ihnen ein angenehmes Zimmer, das klein, aber sauber war. Der Geschäftsführer hatte es als sein bestes bezeichnet; eines von zwei Zimmern mit eigenem Bad. Das große Bett hatte weiße, saubere Laken, und zwei Handtücher lagen bereit. Malaika holte tief Luft, dann atmete sie aus und entspannte sich zum ersten Mal seit Tagen. Auch Jack seufzte. Sie standen einander verlegen gegenüber und betrachteten das nasse Haar und die verdreckte Kleidung des
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