Die Tränen der Massai
geschehen.
Baers Stimme erklang von der Tür her. »Was höre ich da – das Lieblingsprojekt des Chefs steht kurz vor dem Scheitern?«
Jack hob den Kopf von einem Stapel Papieren. »Was hast du gehört?«
»Welche Geschichte willst du? Die über jemanden im Amt für regionale Entwicklung, der die Arbeit blockiert, oder die über die Schwierigkeiten vor Ort?«
»Die über den Beamten kenne ich, danke. Ein Kerl namens Onditi. Ich gehe später diese Woche rüber, um ihm den Kopf zu waschen. Aber wo liegt das Problem im Westen?«
»Sie interessieren sich einfach einen Dreck für das integrierte Entwicklungsprogramm und sagen, die
Mzungus
von den UN sollten sich andere Laborratten suchen, um ihre Ideen an ihnen auszuprobieren.«
»Woher kommst du an solche Informationen?«
»Beziehungen.«
»Und was sagen dir deine
Beziehungen
über die Einstellung der Leute vor Ort?«
»Das Übliche.«
»Himmel!« Jack warf den Bleistift auf den Schreibtisch. »Du meinst, sie wollen wissen, was für sie drin ist, oder?«
»Genau. Ich nehme an, es gibt da draußen jemanden, der ein bisschen Aufmerksamkeit braucht.«
»Zum Beispiel?«
»Wer weiß? Aber es wird teuer.«
»Ja, sicher. Die Vereinten Nationen werden jemanden bestechen, damit wir den Leuten helfen können.«
»Teegeld, Kumpel. Bestechung gibt es hier nicht. Es geht nur um Teegeld.«
»Was für ein Unsinn!«
»Stimmt. Aber warum sagst du das nicht dem guten alten Bhatra? Er würde deine Ansichten sicher gerne hören.«
»Selbst Bhatra würde keiner Bestechung zustimmen.«
»Bhatra hat seinen linken Hoden auf dieses integrierte Entwicklungsprogramm verwettet. Er rührt dafür in New York und Genf die Werbetrommel. Und unter uns Pfarrerstöchtern: Er hält es für seine Fahrkarte zur Position eines Stellvertretenden Sekretärs.«
»Willst du damit behaupten, dass er zustimmen würde, Teegeld zu zahlen, nur um das Projekt durchzubringen?«
»O nein. Bhatra macht sich die Hände nicht mit Schmiergeldern schmutzig. Aber es ist möglich, dass ein wenig Geld seinen Weg in eine Kaffeekooperative oder etwas Ähnliches findet, die zufälligerweise von einem der Bonzen da draußen betrieben wird. Du kennst das doch.«
»Das ist immer noch verdammte Bestechung.«
»Jack! Mach dich doch nicht lächerlich.« Baers Tonfall triefte vor Sarkasmus. »Bhatra hat eine führende Stellung in der Verwaltung. Er kann so etwas wie Bestechung nicht zulassen. Und außerdem ist das nicht seine Aufgabe.«
Jack beugte sich vor. »Wie meinst du das, nicht
seine
Aufgabe?«
»Kumpel, er glaubt wahrscheinlich, dass es deine ist.«
»Mr. Morgan! Kommen Sie doch herein!« Bhatra stand auf und machte eine weit ausholende Bewegung, die sein gesamtes Büro erfasste. Er sah aus, als wäre er auf dem Weg zu einer Hochzeit. Sein Anzug, dessen Sakko er nicht einmal im Büro ablegte, hatte einen wunderbaren stählernen Glanz; der Stoff war eine Mischung aus Seide und Baumwolle, die Schneider aus Singapur für tropisches Klima beliebt gemacht hatten. Jack war froh, dass er auf dem Weg zu Bhatras Büro wenigstens die Hemdsärmel heruntergerollt hatte.
»Bitte setzen Sie sich, Mr. Morgan.« Bhatra zeigte auf einen braunen Besuchersessel aus Leder.
Jack setzte sich dem Mahagonischreibtisch gegenüber, auf dem ein Mahagoninamensschild stand:
D. K. L. Bhatra, Direktor Hilfsprojekte.
Er hatte keine Ahnung, wofür die Initialen standen, und soweit er wusste, ging es den anderen im Büro ebenso. Die meisten Leute nannten den Direktor »Mr. Bhatra«. Damit fühlte sich Jack ein wenig unwohl, denn er war daran gewöhnt, seine Vorgesetzten mit dem Vornamen anzusprechen. Bhatras Mitdirektoren benutzten das weniger förmliche »Bhatra«. Jack hielt es für eher unfreundlich, jemanden nur mit dem Nachnamen anzusprechen. Obwohl auch das ihn unsicher machte, hatte er das Dilemma bisher umgangen, indem er jegliche Anrede vermied. Aber es waren nicht nur Bhatras nicht existierende Vornamen, die Jack Unbehagen verursachten, sondern auch das strenge Beharren seines Vorgesetzten auf Protokoll und Förmlichkeit. Jack nahm an, dass das wohl an seiner australischen Herkunft lag, und nahm sich vor, mit seinem Chef zu einem angenehmeren Arrangement zu kommen.
Bhatra setzte sich wieder auf seinen hochlehnigen Stuhl und sagte: »Also gut. Sie leben sich gut ein.« Es war eher eine Aussage als eine Frage.
Jack nahm an, dass Bhatra eine Antwort erwartete, und sagte: »Ja, vielen Dank.«
»Hervorragend! Und
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