Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
Vom Netzwerk:
ohrenbetäubenden Lärm der Lautsprecher konnte Jack sehen, wie sich Moniques Mund bewegte, hörte aber kein einziges Wort. Er lächelte und nickte und hoffte, das jeweils zum richtigen Zeitpunkt zu tun. Sein Körper begann auf das Dröhnen afrikanischer Trommeln zu reagieren, auf den tiefen Bass vieler Männerstimmen und das trillernde Zwischenspiel einer Frauenstimme eine Oktave höher. Aber er hatte nicht das Gefühl, den Klang zu absorbieren, es war vielmehr so, als würde
er
absorbiert, als sein Körper begann, sich unkontrolliert zu bewegen. Der Rhythmus trieb seine Füße an, und sein Körper folgte.
    Oben an hoch aufragenden Holzpfählen wand sich eine Unzahl bunter Blütenranken bis unter das
Makuti
-Dach. Öffnungen in den Wänden aus geflochtenem Gras führten zu einem Hibiskusgarten und einem teuren Rasen. Scheinwerfer, die unter grotesk verflochtenen Frangipani-Büschen verborgen waren, warfen geisterhafte Silhouetten gegen die Dunkelheit dahinter.
    Nach ein paar Tänzen kehrten alle vier zu ihren Getränken zurück. Der Bann brach, als Monique und Nancy über hirnlose Banalitäten plauderten. Jack entschuldigte sich mit einem »Bin sofort wieder da«.
    Er ging durch eine der Türen in Richtung der Toiletten, dann bog er auf den Weg in den Garten ab. Die Trockenzeit war beinahe zu Ende, die Nachtluft ruhig und feucht. Hier, in einiger Entfernung von den hellen Lichtern der Stadt, wurden die Sterne lebendig, füllten die undurchdringliche Schwärze von Horizont zu Horizont.
    Er schlenderte weiter und genoss den Kontrast zu der dröhnenden Musik und Moniques geistlosem Geschwätz. Frösche quakten in einem Zierteich. Am Rand des Grundstücks stützte er einen Fuß auf den weißen Zaun. Das Land senkte sich sanft zum Nairobi-Damm hin ab. Die Lichter der Stadt leuchteten über der neuen Siedlung an der Langata Road. Irgendwie bewirkte der Kontrast zwischen der Disco und der warmen, stillen Dunkelheit, dass Jack sich wohl fühlte. Er atmete ein, trank die kühle, taufeuchte Luft, dann atmete er mit einem lauten Seufzen wieder aus.
    Die Luft erinnerte ihn an die Nächte im Outback, Nächte, in denen die Viehzüchter von jeder Art von Gesprächsthema unweigerlich wieder zu Spekulationen über Regen zurückkehrten. Er konnte sich vorstellen, konnte sogar spüren, wie das trockene Savannengras und die Büsche im Garten jede Blüte und jedes Blatt öffneten, um die feuchte Nachtluft aufzunehmen. Noch ein tiefer Atemzug. Seine Lunge füllte sich mit dem läuternden Tau.
    Am Himmel standen Edelsteine, die ihm nicht vertraut waren. Die Sterne waren beinahe genauso hell wie im Outback, aber das Kreuz des Südens befand sich an der falschen Stelle.
    Er musste plötzlich an den alten Joe Scales denken. Joe war der beste Viehtreiber der Moonlight-Tank-Zuchtfarm, und das schon seit Jahren. Er hatte die gleiche wettergegerbte Haut wie viele ältere Männer im Outback, aber Joe war zum Teil Aborigine und hatte auch schwarze Falten im Gesicht und tief liegende Augen, die immer wieder den Horizont absuchten. Jack hatte manchmal das Gefühl, der alte Mann könnte über den Horizont hinausschauen, was vielleicht den ein wenig gedankenverlorenen Ausdruck erklärte, der immer auf seinen Zügen lag.
    Joe war oft auf die Veranda der Farm herausgekommen und hatte sich zu Jack gesetzt, wenn die Sonne unterging. Er ließ sich von Jack ein Bier geben und trank es, während im Mundwinkel wie immer eine durchnässte Selbstgedrehte hing. Drei oder vier Aborigine-Kinder, die er ignorierte, folgten ihm überall hin. Sie zu ignorieren ermöglichte es ihm, ihnen schauderhafte Geschichten zu erzählen. Seine Erzählungen über das Bunyip-Monster, das irgendwo in den Schluchten des Pellaroo-Gebirges lauerte, zog die Kinder in seinen Bann.
    »Es ist so groß wie ein verdammter Elefant, junger Jack«, sagte er mit einer leisen Stimme, die dennoch bis zu den Kindern trug, die wie gebannt am Rand der Veranda hockten. »Es muss letzte Nacht diesen großen grauen Stier halb zu Tode erschreckt haben.« Joes Geschichten waren so faszinierend, dass selbst ältere Kinder sie für wahr halten wollten. »Der alte Bursche kam in den Hof zurück und zitterte wie ein Kätzchen. Das Bunyip-Monster hat ihm fürchterliche Angst eingejagt, junger Jack. Er wollte nur noch getätschelt und gehätschelt werden. Armer alter Bursche.«
    Die riesengroßen Augen der Kinder ruhten wie gebannt auf Joe, der nur ein winziges bisschen zwinkerte, während er weiter seine

Weitere Kostenlose Bücher