Die Tränen der Massai
Zahlungen verschaffen konnte, ebenso wie seine Zustimmung zu jedem größeren Entwicklungsplan.
Mengoru neigte nicht zur Nabelschau; solche Angewohnheiten waren nur ein Zeichen von Schwäche. Aber wenn er nun mit dreiundsechzig auf sein Leben zurückschaute, musste er zugeben, dass der Wohlstand und die Macht, nach denen er sich sehnte, immer noch außerhalb seiner Reichweite lagen.
In der letzten Zeit hatte er mit Elfenbein und Rhinozeroshorn recht guten Profit gemacht und erfolgreich die primitiven Stammesleute an der wilden Nordgrenze gelenkt, was überwiegend seinem natürlich aggressiven Wesen zu verdanken war und nicht seinen Führungsqualitäten. Aber das große Geld, die Art von Geld, über die Nicholas Onditi verfügte, hatte er immer noch nicht.
An diesem Tag jedoch war Mengoru optimistisch. Da der Präsident die Wilderer intensiver verfolgte, war der Elfenbeinpreis enorm gestiegen. Seine letzte Ladung aus Marsabit würde ihm einen beträchtlichen Profit einbringen. Und den brauchte er.
Er ging davon aus, dass die Belohnungen nicht lange auf sich warten ließen, wenn er erst in den inneren Kreis der Partei vorstoßen würde. Nicholas Onditi wollte sich die Loyalität des Massaiblocks im Parlament sichern. Das war Mengorus Gelegenheit, ihn zu beeindrucken. Er würde eine traditionelle Massaihochzeit arrangieren, das ganze Massailand einladen, und Onditi würde als Ehrengast dabei sein. Der Minister würde entzückt sein, und das noch mehr, wenn Mengorus eigene Tochter die Braut war – eine traditionelle Braut.
Der forsche Schritt des jungen Onditi war selbst von der anderen Seite der Kimathi Street aus zu erkennen. Etwas in diesem Gang erinnerte Mengoru an sich selbst in diesem Alter. Er beobachtete, wie Onditi die Straße überquerte und sich an den Passanten auf dem Bürgersteig vor dem New Stanley vorbeidrängte. Einen Augenblick später erschien er am Eingang des Cafés. Mengoru winkte ihn zu sich.
»Habari.«
»Mzuri.«
Sie wechselten einen Handschlag nach afrikanischer Art – drückten erst die Handflächen aneinander, dann packten sie sich an den Daumen.
James bestellte Bier, und sie unterhielten sich höflich über Belanglosigkeiten, bis die Getränke serviert waren. Als der Kellner das Bier eingegossen hatte und wieder gegangen war, stützte Mengoru die Ellbogen auf und beugte sich über den Tisch.
»Sasa.
Ich will mich noch einmal davon überzeugen, dass die Pläne vollkommen klar sind.«
Onditi nickte und beugte sich vor.
Mengoru trank einen Schluck Bier. »Einer meiner Leute ist jetzt in Marsabit. Er wird sich früh am Morgen mit Ihnen in Isiolo treffen, auf der Nordseite des Kontrollpunkts. Sie kennen den Laster. Der Mann heißt Njuguna. Er ist ein guter Mann. Also organisieren Sie alles am Kontrollpunkt.
Si ndio?
Haben Sie das Teegeld? Gut. Aber geben Sie diesen kleinen Leuten nicht zu viel. Nicht zu viel.«
James nickte.
»Ndio.«
»Und jetzt hören Sie genau zu. Sie bleiben die ganze Zeit beim Laster. In Ordnung? Wir treffen uns in Isuria.«
»Ich verstehe. Wollen Sie, dass ich den Laster zum See bringe?«
»Nein. Das Boot wird noch drei oder vier Tage dort sein. Ich werde selbst nach Muhoro fahren.«
»Gut.« James hob sein Glas. »Auf den Erfolg.«
»Ndio.«
Sie stießen miteinander an.
James fuhr mit einem Finger über die Wassertropfen außen am Bierglas. »Und das Geld?«
»Sobald ich meines habe«, knurrte Mengoru. Es ärgerte ihn immer, wenn jemand schon über Bezahlung sprechen wollte, bevor die Arbeit getan war.
»Selbstverständlich.«
Mengoru trank noch einen Schluck. »Was ist mit dem Mädchen?«
»Ihre Tochter? Ja, das entwickelt sich alles gut. Sehr gut.«
»Und ihre Adresse?«
»Die habe ich noch nicht.«
Mengoru trank sein Glas leer und rülpste. »Ich dachte, Sie hätten sie bereits in der Hand.«
»Solche Dinge brauchen manchmal Zeit. Sie ist ein wenig schüchtern, aber ich werde in ein paar Tagen wissen, wo sie wohnt.«
»Hm. Nächsten Mittwoch komme ich wieder nach Nairobi. Wir treffen uns hier. Um ein Uhr.«
Das Norfolk Hotel stand seit beinahe hundert Jahren an der Straße, die einmal Government Road geheißen hatte. Es hatte idealistischen jungen Bauern auf dem Weg zu ihrem Stück Land in den White Highlands Unterkunft geboten und als prestigeträchtiges zeitweiliges Zuhause für jene gedient, die Hollywood in jenen Tagen als »Herzensbrecher« bezeichnete. Das Hotel hatte schon viel gesehen.
Die Government Road war nach der
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