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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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Weiter!«, kam ein Ruf von einem anderen. Nun, dachte Jack, sie wussten es offenbar besser. Er bog um eine Ecke und ließ die letzten Hütten von Kangemi hinter sich.
     
    Bear trieb sich selbst bis an die Grenze. Seine Zunge war trocken und geschwollen, und sein Mund fühlte sich an, als wäre er voller Sägemehl. Die Beinmuskeln drohten sich in Gummi zu verwandeln, und Schweiß lief ihm in die Augen. Er wischte ihn rasch weg und versuchte, dabei nicht aus dem Tritt zu kommen. Er konzentrierte sich aufs Atmen – er wollte seinen Atemrhythmus dem seiner Füße anpassen, die sich wie Blei anfühlten und nur langsam reagierten. Aber immerhin waren die Läufer an der Spitze immer noch in Sicht, und er hatte die nächste Gruppe weit hinter sich gelassen.
    Vielleicht wurde er zu alt für so etwas. Von diesen Geländeläufen einmal abgesehen, hatte er seit seinen Tagen beim Rugbyclub in Johannesburg keinen ernsthaften Sport mehr getrieben. Er hatte das Spiel geliebt, das Einzige, was ihm seine elenden Jahre in einem englischen Internat erträglich gemacht hatte. Rugby war Männersache, und er hatte hart und dreckig gespielt. Er hatte bewiesen, dass er ein Mann war. Genauso war es mit dem Hash. In der letzten Zeit lief er, um seine Fähigkeiten zu demonstrieren, und nicht zum Spaß.
Siebenundvierzig!
Vielleicht war es Zeit, gegenüber allen, sich selbst eingeschlossen, zuzugeben, dass er tatsächlich schon vierundfünfzig war, bevor es ihn umbrachte.
    Er versuchte, nicht an die brennenden Schmerzen in seinen Oberschenkeln zu denken.
    Jack hätte sich vielleicht überhaupt nicht für den Hash interessiert, wenn Bear nicht am ersten Tag sein großes Maul so weit aufgerissen hätte. Dann wären seine Montage erheblich zivilisierter gewesen. Aber heute Abend würde er sich nicht abhängen lassen. »Auf die eine oder andere Weise, junger Jack«, murmelte Bear vor sich hin, »werde ich es dir heute Abend zeigen. Oder bei dem Versuch umkommen.«
    Jack war gut. Zu gut. Er war gebaut wie ein Geländeläufer – groß und schlank. Gute Muskulatur, ohne die Masse, die auf einem Hinderniskurs wie dem Hash zur Last wurde. Seine Brust war breit, aber nicht unbedingt tief. Eine Brust für einen Mittelstreckenläufer. Jack und Bear waren beide der Ansicht, dass Laufen Spaß machen konnte, aber Siegen das Wichtigere war.
    Bear konnte es nur schwer akzeptieren, wenn er besiegt wurde, sei es von Tier oder Mensch. Er hatte fünfzehn Jahre damit verbracht, Kämpfe mit Afrika auszufechten. Er hatte es ebenso mit Finten wie mit direktem Zuschlagen versucht und es als Sieg betrachtet, wann immer er eine der scheinbar endlosen Herausforderungen bewältigte. Hatte nach Rache gegiert, wann immer es ihm einen Schlag versetzt hatte. Aber bei Sieg oder Niederlage bestand kein Zweifel daran, dass Bear Hoffman ein Mann Afrikas war. Das konnte er beweisen. Und es hatte nicht nur damit zu tun, dass er groß und zäh war. Er war rücksichtslos. Afrika bevorzugte die Rücksichtslosen.
    Rücksichtslosigkeit hatte Bears Leben geprägt. Seine Mutter hatte ihn in Berlin aufgezogen, zu einer Zeit, als es Kinder in dieser Stadt schwer hatten. Sein Vater war an der russischen Front umgekommen, und irgendwo in all dem Blut und Schlamm war seine Leiche einfach verschwunden. Man hatte Bear von der Tapferkeit seines Vaters erzählt. Aber vielleicht war er auch nur rücksichtslos gewesen. Als Kind hatte Bear sich immer gefragt, wie es sein würde, einen Vater zu haben. Sogar einen Vater auf dem Friedhof.
    Die Läufer an der Spitze verschwanden aus seinem Blickfeld, als ihr Weg sie um ein Gehölz führte. Als sie wieder in Sicht kamen, schienen sie größeren Abstand gewonnen zu haben. Bear schloss alles andere aus seinem Kopf aus – die rostigen Eisendächer der Sperrholzhütten, ihre Bewohner mit ihren bitteren Mienen, die ihn aus Pappdeckeleingängen anstarrten. Er konzentrierte seine gesamte Energie aufs Laufen.
    Nachdem seine Mutter den amerikanischen Colonel ins Bett gelassen hatte, hatten sie Bear in ein Internat nach England geschickt. Es war sein zehnter Geburtstag gewesen. Er hatte nicht geweint, als seine Mutter ihn mit schuldbewusstem Blick und Tränen in den Augen in den Zug gesetzt hatte. Der Colonel hatte nur zu gern für die Schule bezahlt. »Und überhaupt«, hatte er gesagt, »ist das hier kein guter Platz für ein Kind. Besonders, solange die Besatzungsstreitkräfte hier sind.« Als die Dienstzeit des Colonels in Deutschland zu Ende war, holten sie

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