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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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Teil der Küche und des Eingangsbereichs waren verschwunden.
    Seggi stützte sich auf den zerbrochenen Speerschaft wie ein alter Mann. Naisua folgte seinem Blick zu der aufgerollten Kalbsfellmatte auf dem Boden. Die Perlenfußreifen an den Füßen, die aus einem Ende herausragten, kamen ihr vertraut vor. Sie hatte sie Agnes zur Hochzeit geschenkt.
    Also war auch der dritte und letzte Teil der Traumvision eingetreten. Naisua fühlte sich von ihrem Gott verlassen. Bei all ihren Gebeten, wie hatte
Ngai
da so grausam sein können? Hatten sie noch nicht genug gelitten? Es war, als wäre Sendeyos Fluch abermals über sie hereingebrochen. Aber das war nicht möglich. Seggi hatte nur eine Tochter, Penina.
    »Mein Sohn. Ich weine um Agnes.« Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich bin gekommen, um dein Leid zu teilen.«
    Er nickte. Sein Kinn wirkte schlaff, und hinter seinen Augen spürte sie einen Geist im Kampf mit einem unsichtbaren Feind.
    »Und Penina?« Die Traumvision hatte ihr gezeigt, dass ihrer Enkelin nichts zustoßen würde, aber sie musste sich selbst überzeugen. »Wo ist deine Tochter?«
    Er wandte sich ihr mit einem kindlichen Lächeln und einem Blick voller Unschuld zu, wie sie ihn oft in seinen Augen gesehen hatte, als er noch in seiner Tragschlinge lag. »Mutter, ich habe zwei Töchter.« Seine Stimme war so trocken wie der Staubsturm. »Penina ist … dort.« Er zeigte auf den Hügel. »Bei den Frauen. Bis wir unsere Toten begraben haben.« Er ließ den Arm sinken, als wäre die Anstrengung zu schwer.
    »Meine andere Tochter ist hier.« Er nickte zu einem winzigen Bündel von
Kanga-
Tuch hin, das neben der Kalbsfellmatte lag. »Hier. Bei ihrer Mutter.«
    Er ging weg und zog dabei den abgebrochenen Speerschaft hinter sich her. Der Schaft kratzte gezackte Linien durch seine Fußspuren.

Kapitel 10
    Aus Peabodys Ostafrikaführer (5. Auflage):
    Kisumu (Bevölkerung 197 100) wurde ein wichtiger Ort in der neuen Kolonie, als am 20. Dezember 1901 die Gleise der Uganda-Eisenbahnlinie das Ufer des Viktoriasees erreichten.
    Ronald Preston war der Chefingenieur, der die Bauarbeiten auf beinahe allen 581 Meilen des Projekts beaufsichtigte. Die Autoritäten nannten die letzte Station der Strecke Port Florence, zu Ehren von Prestons Frau, die ihn während der Bauarbeiten begleitet und dabei Hitze, Löwenangriffe und Scharmützel mit den plündernden Stämmen ertragen hatte.
     
     
    J ack stellte Bears Bier auf den Tisch neben seinen Squashschläger und setzte sich seinem Freund gegenüber, so dass er den Pool sehen konnte. Er wischte sich das Gesicht mit dem Handtuch ab, das er um den Hals trug, und beobachtete ein paar indische Kinder, die nach Steinen tauchten. Er trank einen Schluck Bier.
    »Sie wird das Projekt absagen?«, fragte Bear.
    »Das behauptet sie jedenfalls.«
    »Was wirst du tun?«
    »Nun, ich habe ihr schon gesagt, ich werde es nicht noch einmal bei diesem Mistkerl Onditi versuchen. Ich muss eine andere Möglichkeit finden.« Er stellte die Flasche hin und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Wen kennst du im Westen, der uns transportieren könnte?«
    »Einfach so? Niemand.«
    »Also gut, dann jemanden, der mir einen Wagen verkauft.«
    »Das Provinzbüro kann es nicht, oder?«
    »Nein. Bhatra hat das gleich zu Anfang versucht. Das hat zu nichts geführt. Dann hat er mir seine ermutigende Ansprache über
kreative Lösungen
gehalten.«
    »Dir wird schon was einfallen.«
    »Das hoffe ich. Nächste Woche haben wir die Eröffnungskonferenz vor Ort. Ich sollte wohl herausfinden, wessen
persönliche Motivation
ich kreativ bearbeiten muss.«
    »Findet die Konferenz im Hotel Florence statt?«
    »Ja. Die Verwaltungsleute haben das organisiert.«
    »Du könntest mit Emma Ooko sprechen. Sie führt das Hotel Florence. Sie kennt jeden in der Stadt.«
    »Es wäre einen Versuch wert.«
    »Kommt die Dame von AmericAid ebenfalls?«
    »Ja.«
    »Fahrt ihr zusammen hin?«
    »Soll das ein Witz sein? Ich würde lieber mit einem nackten Arsch auf die Konferenz gehen.«
    »Du solltest jetzt nett zu ihr sein, Mann.«
    »Nett zu ihr? Ich schwöre dir, Kumpel, in ganz Afrika gibt es nicht genug Charme, um zu dieser Frau durchzudringen. Das ist wirklich ein hart gesottenes Biest.«
    »Sie könnte dir das Leben ziemlich schwer machen, wenn der Boss von der Sache hört.«
    »Ja, aber das wird nicht passieren, weil ich alles in Ordnung bringe, bevor er davon hören kann.« Jack trank das restliche Bier in einem

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