Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
würde.«
»Dein Brief hat mich ins Leben zurückgeholt.«
»Ich konnte dich einfach nicht vergessen. Es war die Hölle, an dich zu denken. Ich wollte nur eins: dich wiedersehen, dich küssen, dich lieben. Ich will auf keinen Fall, dass wir uns trennen.«
Er nahm sie in die Arme, hob sie hoch und trug sie zum Bett.
»Verzeihst du mir, dass ich beim letzten Mal so grob gewesen bin?«
»Wäre ich hier, wenn ich es nicht längst vergessen hätte?«
Er suchte die beiden anderen Lampen und zündete sie an.
»Oh, sieh doch, das ist die Überraschung, die uns Louise versprochen hat!«, sagte Alix leise und deutete auf die Wand ihr gegenüber.
»Das sind meine Damen mit dem Einhorn. Sieh doch, Alessandro! Ich hatte gehofft, dass sie Louise im Val de Loire lässt und nicht nach Cognac bringt.«
Sie sprang aus dem Bett, nahm eine Lampe und ging zu einem der Teppiche, der beinahe die gesamte weiße Wand bedeckte. Ein hochmütig blickendes Einhorn, durchscheinend wie Alabaster, schien mit seinem spitzen Horn das prunkvolle Dekor zu ermessen, in dessen Mitte es sich befand.
»Hier ist noch ein Teppich von mir, Alessandro.«
Mit der Hand strich sie behutsam über den Teppich daneben, auf dem eine ganz andere Szenerie zu sehen war. Dieses Einhorn wirkte unterwürfig, hatte die ängstlichen Augen einer Hirschkuh und ganz zierliche Hufe und kniete zu Füßen einer Frau, die ihm die Hand reichte.
»Ach, Alessandro, ich bin sicher, dass mein Ensemble Augustus und die Sibylle auf Schloss Amboise willkommen sein wird.«
Aber Alessandro hatte jetzt anderes im Sinn, als die Tapisserien von Alix zu bewundern.
»Komm jetzt, mein Herz, wenn es morgen hell ist, will ich mir deine Teppiche in aller Ruhe ansehen.«
Wieder hob er sie hoch und legte sie auf die kühlen weißen Laken zurück, die sie erst noch wärmen mussten. Sie löschten die Lampen, und ihre Körper verschmolzen zu einer köstlichen Umarmung.
Als sie später noch wachlagen, flüsterte Alessandro, den Mund an ihrer pochenden Schläfe:
»Wirst du mir treu bleiben, mein Herz?«
Sie löste sich ein wenig von ihm und nahm sofort eine Verteidigungshaltung ein.
»Ich betrüge dich nicht, Alessandro. Hör mit dieser Eifersucht auf, sonst wird unser gemeinsamer Weg sehr kurz sein. Ein Wort gibt das andere, und bald beleidigen und verletzen wir uns nur noch.«
Danach entspannte sie sich ein wenig.
»Es geht ja auch nicht nur um mich«, murmelte sie. »Schließlich gibt es auch noch dich und dein Leben, das ich nicht kenne.«
»Was willst du wissen? Ich habe nichts zu verbergen«, flüsterte ihr Alessandro ins Ohr. Weil sie nichts sagte, fuhr er fort, während er zärtlich ihr Gesicht streichelte:
»Ich habe eine Frau, und das weißt du auch. Sie hat sich nach Kalabrien zurückgezogen, wie ich dir bereits erzählte. Sie hat mir kein Kind geschenkt, und ich sehe sie etwa einmal im Jahr. Ich bin immer sehr erleichtert, wenn ich das hinter mir habe. Kannst du dir vorstellen, dass ich trotzdem noch etwas für sie empfinde? Glaubst du das wirklich?«
»Ich habe keine Lust, über deine Frau zu reden.«
»Über wen willst du dann reden?«
»Über deine Kinder und die Frau, die sie großzieht, weil sie nicht bei dir leben.«
»Du hast recht, meine beiden kleinen Söhne wachsen im Palazzo Medici auf, mit einer …«
»Mit einer deiner Maitressen.«
»Das war sie einmal.«
»Du gehst aber jeden Tag in den Palazzo Medici, wenn du in Florenz bist.«
»Ja, beinahe jeden Tag. Aber das heißt doch nicht, dass ich noch ein Verhältnis mit dieser Frau habe.«
Alix richtete sich etwas auf, und Alessandro entzündete eine Lampe, um sie besser betrachten zu können, aber ihr Gesicht blieb im Dunkeln.
»Und wie ist es damit, dass ich jeden Tag mit Mathias zu Abend esse, in Gegenwart meiner Arbeiter, unter den Augen meiner Köchin Bertille, Alessandro …«
»Er schläft unter deinem Dach.«
»Schläfst du denn nicht im Palazzo Medici? Hast du dort kein eigenes Zimmer?«
»Doch.«
»Was macht das dann für einen Unterschied? Diese Frau erzieht deine Kinder unter deinen Augen. Sie ist nicht nur ihre Amme. Warum bist du dieser schönen Florentinerin zu Dank verpflichtet?«
Alessandro seufzte.
»Und sag jetzt nicht, dass es für einen Mann etwas ganz anderes ist, sonst lasse ich dich auf der Stelle allein und schlafe in einem anderen Zimmer.«
Er zog sie an sich und umarmte sie.
»Diesmal lasse ich dich nicht wieder gehen.«
»Alessandro, lass uns damit aufhören, ich
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