Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Rüstung würde aufreizend strahlen.
Louises Albträume endeten aber nicht mit den Bildern von dem festlichen Auftakt eines Kriegszugs. Die Comtesse d’Angoulême kannte ihren Sohn gut genug, um zu wissen, dass der unerfahrene François das Lächeln eines Eroberers auf den Lippen tragen würde. Und auch wenn ihm zu Ehren ins Horn geblasen würde und das Volk seine ewigen Vivats riefe, änderte das nichts an ihrer Angst.
Wie hätte es auch anders sein sollen? Louise, die sich als Ehefrau nie in einem solchen Dilemma befunden hatte, wurde nun zum Opfer ihrer mütterlichen Instinkte. In der Vergangenheit, die sie unwillkürlich nur sehr behutsam durchforschte, weil sie nicht in sentimentalen Anwandlungen versinken wollte, konnte sie sich stets sehr sicher fühlen. Da musste sie nun zu einer vollkommen neuen Haltung finden.
Die Comtesse hatte das alles ganz anders erlebt, auch weil ihr Mann sich wesensmäßig sehr von den meisten anderen unterschieden hatte. So hatte er zum Beispiel nicht eine, sondern drei Ehefrauen zurückgelassen! Und von denen hatte nur Antoinette wirklich bei dem Gedanken gezittert, er könnte nicht wiederkommen.
Zuerst war Louise, weil sie viel zu jung gewesen war und sich auch noch nicht ihrem liebeshungrigen Gatten hatte hingeben müssen, selbst fast noch ein Kind ohne Kind geblieben.
Außerdem befand sich das Schloss Cognac damals in den erfahrenen Händen der alten Comtesse, die uneingeschränkt über die Ländereien, die Leute und die seinerzeit mageren Einkünfte herrschte und mit den Ausgaben geizte, weil viel zu wenig Geld da war.
Darüber machte sich Charles d’Angoulême eher wenig Gedanken. Frohen Mutes und vollkommen furchtlos zog er in den Krieg, als würde er nur einmal frische Luft schnappen gehen, etwas Zerstreuung oder vielleicht sogar Vergnügung suchen und etwas Neues erleben, aber sich nicht etwa Lorbeeren verdienen wollen.
Bourbon hatte ebenfalls nie Angst, wenn er in den Krieg zog, war dann aber auch nicht übermütig. Er gehörte zu den Männern, für die Kämpfen keine Pflicht bedeutete, sondern Vergnügen. Wenn er zu einem Feldzug aufbrach, wirkte er zufrieden, aber nicht enthusiastisch. Was man bei einem anderen vielleicht Begeisterung, Elan oder Rausch genannt hätte, war für ihn lediglich Berechnung. Das einzig Überbordende dabei war sein Ehrgeiz.
Große Gefühle verschloss er unter einem Panzer, den er fast nie abstreifte, außer wenn er sich einmal ganz kurz vergaß und intime Regungen die schöne Hülle seines ständig wachsamen Geistes erschütterten. Begeisterung und Ungestüm stießen bei ihm stets auf Ansprüche, die er an sich stellte und die ihn dazu zwangen, seinen seltenen Elan selbst in außergewöhnlichen Situationen zu bremsen.
Einzig Louise gelang es, diese Klippen zu umschiffen, zumindest wenn ihr nicht Marguerites Jugend und Schönheit in die Quere kamen.
Obwohl sie die begehrlichen Blicke, die Bourbon ihrer Tochter zugeworfen hatte, nicht bemerkt hatte und sie ganz beruhigt war, weil Charles Marguerite vollkommen gleichgültig zu sein schien,
verbat es sich Louise dennoch, dass sie an den Mahlzeiten, den Promenaden oder anderen Vergnügungen mit ihrem Geliebten teilnahm.
Mit diesem Gedanken tröstete sich Louise auch über ihre übereilte Entscheidung hinweg. In der Nähe ihres Bruders wäre Marguerite viel glücklicher als bei ihrer Mutter, die sie zwangsläufig mit ihrer ungewohnten Leidenschaft konfrontierte.
Für Charles de Bourbon, den Duc de Montpensier, mit seinen gerade mal zwanzig Jahren gab es nur äußerst selten Augenblicke, in denen er nicht an Liebe interessiert war.
In dieser Hinsicht hegte Louise in etwa die gleichen Gefühle wie er. Ihr natürlicher, impulsiver Großmut und ihre selbstlose Art, die sie dem bewundernden und ebenfalls uneigennützigen Jean de Saint-Gelais gegenüber bewiesen hatte, verloren sich im Umgang mit dem ehrgeizigen und ungeduldigen Charles de Bourbon zusehends.
Dabei war die Zeit längst vorbei, als es nur um Gefühle ging. Bourbon wusste das, und Louise ahnte es ebenfalls.
In ihrem großen Zimmer im ersten Stock des Logis Royal, den Louise für sich beanspruchte, seit Anne und Louis nach Blois umgezogen waren, flackerte ein schönes Feuer im Kamin und sorgte für eine hitzige Stimmung. Mit Hilfe von Likör und schwerem Wein wollte Louise ihre Sinne noch zusätzlich benebeln.
Marguerite und Blanche hatten sich am Morgen auf den Weg nach Blois gemacht. Aus Taktgefühl gegenüber Antoinette
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