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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Ornamentik der Bordüren zu bewundern, die breiter waren, als sie es je gesehen hatte.
    Aber Alessandro hob sie hoch, nahm sie in seine Arme und trug sie zum Schlafgemach.
    »Genug jetzt, mein Liebling. Ich kann es kaum noch erwarten, dich in die Arme zu schließen.«
     
    Angela und Tania richteten sich in einem kleinen Zimmer neben Alix’ großem Zimmer ein. Sie waren etwa gleich alt und verstanden sich sehr gut. Sie teilten viele Interessen und hatten meist eine ähnliche Sichtweise und Einstellung zum Leben.
    Theos stolze Haltung, der sich wie ein verhinderter Prinz aufführte, missfiel Leo dagegen sehr – was Alix sehr gut verstehen konnte. Leo trug die gesamte Verantwortung für die Pferde, die Ställe und die Reisen.
    Kaum hatte er dem jungen Byzantiner beigebracht, wie man mit Pferden umgeht, weigerte der sich, die Maultiere zu lenken, und beschränkte sich darauf, seinen Kameraden mal missmutig, mal mit spöttischer Miene zu beobachten.
    Als sie eines Tages beide im Stall waren und Leo ihn bat, das weiße Fell von Cesarine zu striegeln, weigerte sich Theo, sah Leo herablassend an und forderte ihn auf, ihn in Zukunft Théodore und nicht mehr nur Theo zu nennen.
    Verärgert über die unverschämte Art des ehemaligen Sklaven, den er von Anfang an sehr freundlich behandelt hatte, bat Leo um ein Gespräch mit seiner Herrin.
    »Ich will meine Pferde auf keinen Fall Théodore überlassen, Dame Alix«, erklärte er ihr enttäuscht.
    »Natürlich nicht, das kommt auch gar nicht in Frage!«, erwiderte Alix prompt.
    Leo machte ein unglückliches Gesicht und drehte verlegen seinen großen Hut in den Händen.
    »Aber was wollt Ihr denn machen, wenn der Junge sich weigert, die Kutsche mit den Maultieren zu lenken? Alles, was er bisher kann, habe ich ihm beigebracht.«
    Alix rieb sich nachdenklich das Kinn und überlegte, ob Alessandro vielleicht helfen konnte. In Florenz ließ sich gut Geschäfte machen, und Alix hatte nicht umsonst einige ihrer schönsten Millefleurs mitgebracht! Wenn Alessandro die Teppiche zu einem guten Preis verkaufen könnte, gliche das den teuren Einkauf der beiden Byzantiner zum Teil aus, und wahrscheinlich konnte sie dann auch noch ein eigenes Pferd für Theo kaufen.
    Alix war nie für langes Hin und Her, weshalb sie dieses Problem so schnell wie möglich lösen wollte, ehe es zu ärgerlichen oder kostspieligen Konsequenzen kam.
    »Geh und hole Theo. Ich sehe inzwischen nach, wo Tania steckt.«
    Wenige Minuten später standen die Geschwister vor ihr. Tania hatte sich sehr verändert, seit Alix sie wie ein weidwundes Reh auf dem Podest entdeckt hatte. Sie war selbstbewusster geworden, lächelte häufig und redete gern. Mit Alix unterhielt sie sich aber fast ausschließlich über Musik. Tania war ein empfindsamer, lieber und kluger Mensch.
    Theo hatte sich ebenfalls verändert, aber leider ins Gegenteil. Leo hatte recht – er war hochmütig und eingebildet, ja beinahe aggressiv und schien sich für etwas Besseres zu halten, eine Einstellung, die Alix nicht leiden und deshalb auch auf keinen Fall dulden konnte.
    »Ich habe euch kommen lassen, weil ich mit euch über eure Zukunft reden will«, erklärte Alix.
    Sie wirkten ein wenig überrascht. In Tanias Augen zeigte sich sofort Angst, aber Theo sah sie nur herausfordernd an, was Alix gar nicht gefiel.
    »Wie ihr euch denken könnt«, fuhr sie betont langsam fort, ohne die beiden aus den Augen zu lassen, »werde ich in einigen Monaten nach Frankreich zurückkehren, wenn ich mein Kind zur Welt gebracht habe.«
    »Ein Kind ohne Vater!«, sagte Theo leise, was aber nichts daran änderte, dass die Bemerkung eine Frechheit war.
    »Ein Kind, dessen Vater Alessandro Van de Veere ist«, entgegnete Alix scharf.
    Theo verdrehte nur die Augen.
    »Bitte, Theo, lass das!«, flüsterte Tania, der das ungehörige Verhalten ihres geliebten Bruders sichtlich peinlich war.
    »Wenn ihr mit mir ins Val de Loire kommen wollt, müsst ihr für mich arbeiten – natürlich nicht als Sklaven, sondern als …
    »… als Diener!«, unterbrach sie Theo mit einem spöttischen Lächeln.
    »Diener ist nicht ganz das richtige Wort. Bei mir gibt es eigentlich keine Diener. Ich habe Lehrlinge, Arbeiter und Freunde. Sozusagen eine große Familie.«
    Sie ging auf Leo zu und hielt ihn fest, weil er das Zimmer verlassen wollte.
    »Bleib bitte hier, Leo. Das betrifft auch dich.«
    Dann wandte sie sich wieder an die jungen Byzantiner.
    »Falls ihr das nicht wollt – und das ist

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