Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
aber denk dran, dass du mich in Tours überallhin mitnehmen musst, weil ich alle Leute kennenlernen will, mit denen du zu tun hast.«
»Selbstverständlich, denn sie werden dir sehr nützlich sein, mein Herz. Du musst dich schließlich vor deinen Feinden schützen.
Die Weber von Tours werden es dir nicht verzeihen, dass du sie übergangen hast. Hast du darüber nachgedacht?«
»Sie wagen es gewiss nicht mehr, noch einmal meine Werkstätten anzuzünden oder mich des Diebstahls zu bezichtigen. Selbst wenn sie mich für meine Dreistigkeit, wie sie es nennen, vor Gericht bringen wollten, wissen sie genau, dass sie nur verlieren können.«
Wenig später ruhte sie in den Armen ihres Geliebten, der sie mit Liebkosungen und Liebesschwüren überhäufte. Aber noch war keine Zeit zu schlafen. Alessandro legte sich auf sie, verschloss ihr den Mund mit Küssen und umarmte sie voller Leidenschaft, was sich seine Geliebte gern gefallen ließ. Viel zu sehr fürchtete sie ihre bevorstehende Trennung, als dass sie sich um die wenigen Stunden bringen wollte, die ihnen für ihr lustvolles Vergnügen blieben.
4.
Louise war gerade fünfunddreißig geworden, als sie dem Duc de Montpensier wieder begegnete. Aber anders als bei den ersten beiden Malen war er diesmal nicht in Begleitung seiner freudlosen Gattin. Er erschien mit der aufgehenden Sonne an einem Herbstmorgen und sah sehr schneidig aus in seiner funkelnden Rüstung und dem strahlend weißen Wams.
Louise war, als sie schlaftrunken nach Catherine klingelte, noch nicht richtig wach, weil sie spät ins Bett gegangen und erst nach Mitternacht eingeschlafen war.
Sie bestellte Brötchen, Preiselbeerkompott, warme Honigmilch und Apfelkuchen, um den Tag mit einem guten Frühstück zu beginnen.
Als dann der Vorhang, hinter dem sich die doppelte Tür zu ihrem Schlafzimmer verbarg, zur Seite geschoben wurde, fragte sie sofort: »Wer da?«
»Es ist Gonfreville, Madame«, antwortete Catherine von Weitem und steckte ihren Kopf durch die Tür.
»Gonfreville!«, rief Louise erstaunt.
»Ja, Madame, er wünscht Euch zu sprechen«, erklärte das Kammermädchen.
»Er soll hereinkommen«, sagte die Comtesse und wunderte sich, dass sie ihr Schildknappe so früh am Morgen stören wollte.
Der Wachposten an der Tür trat zur Seite, stieß seine Hellebarde geräuschvoll auf den Boden und begab sich dann leisen Schritts zu den beiden anderen Wachen, die im Korridor postiert waren.
Gonfreville trug ein Wams in Rot und Gelb, den Farben, die Louis XII. für den Hof von Amboise vorgeschrieben hatte, hielt seinen Helm in der Hand und blieb in der Tür stehen.
»Tretet näher, Seigneur Gonfreville, und sagt mir, was Euch heute so früh am Morgen zu mir führt.«
»Charles de Montpensier, der Herzog von Bourbon, ist in Amboise eingetroffen und wünscht Euch zu sprechen, Madame la Comtesse«, erklärte der Schildknappe, während Catherine Louise frisierte.
»Charles de Montpensier?«, fragte sie erstaunt und schob die Hand ihres Zimmermädchens weg, das ihr gerade die Haube aufsetzen wollte. »War er nicht am Hof von Blois? Ich meine mich zu erinnern, dass er dort einige Monate verbracht hat.«
»Sein Schildknappe lässt ausrichten, er wünscht Euch zu sprechen, Gräfin.«
»Sein Schildknappe! Ist er denn hier?«
»Er wartet auf der Terrasse, Madame.«
»Dann geht zu ihm und sagt ihm, dass ich bereit bin, Charles de Montpensier zu treffen. Er soll mich im Waffensaal erwarten. Es wird nicht lange dauern«, fuhr Louise fort und störte Catherine diesmal nicht bei der Arbeit.
Gonfreville verabschiedete sich mit einer tiefen Verbeugung.
Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte und der Vorhang zugefallen war, griff Louise vergnügt nach der Haube, die Catherine gerade auf ihrem Kopf festgesteckt hatte, und gab sie ihr mit einem Lachen zurück.
»Keine Haube und keine Mütze für den Duc de Bourbon!«
Dann prüfte sie ihr Gesicht im Spiegel.
»Mach mich hübsch, Catherine. Der junge Herzog ist nämlich ein ganz besonders vornehmer Herr.«
Sie beugte sich zum Spiegel und fasste nach der Haarlocke, die Catherine gerade glätten wollte.
»Nein, warte!«, rief sie vergnügt, »ich bin gerade erst aufgestanden und soll jetzt völlig unvorbereitet eine hochgestellte Persönlichkeit als Gast empfangen. Da ist es doch wohl entschuldbar, dass du keine Zeit mehr hattest, mich zu frisieren, Catherine.«
Energisch schüttelte sie den Kopf und ließ die rotblonden Locken um ihr vornehm weißes
Weitere Kostenlose Bücher