Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
de Veere, Bankier und Kaufmann in Brügge und Florenz.«
Alix wusste, dass sie nur diesen Namen nennen musste, damit die beiden jungen Weber ihre Meinung änderten. Insgeheim bedauerte sie es aber, dass es ihr noch immer nicht gelang, allein Kraft ihrer Persönlichkeit zu überzeugen und Ruhm zu ernten.
Doch obwohl Alix ehrgeizig war, konnte sie ihre Möglichkeiten sehr genau einschätzen, weshalb sie nun auch ihren Freund Alessandro ins Spiel brachte.
»Könnten wir dieses Werk in unser Depot in Brügge nehmen?«, fragte sie ihn.
Alessandro musste lachen.
»An diese Art von Frage habe ich mich noch nicht gewöhnt, Alix«, sagte er und fuhr an Van Merck gewandt fort:
»Unsere liebe Freundin Alix Cassex arbeitet hauptsächlich für den König von Frankreich und die Comtesse d’Angoulême. Die Werke, die da entstehen, sind natürlich nicht für unsere Kontore in Brügge bestimmt.«
»Ja, natürlich, da hat mein Freund Alessandro recht.«
»Also – was haltet Ihr davon, wenn wir die Diskussion an einem der nächsten Abende im ›Weißen Barett‹ fortsetzen?«, fragte Alix Madame Van Merck.
»Treffen wir uns gleich morgen Abend«, kam ihr Monsieur Van Merck mit der Antwort zuvor.
Eng aneinandergeschmiegt gaben sich Alix und Alessandro ihren lustvollen Liebesspielen hin. Alix war nach diesem Tag, an dem sie so viele interessante Menschen kennengelernt hatte, viel zu aufgekratzt, um einschlafen zu können.
»Ich glaube, ich lasse meine Millefleurs eine Zeitlang ruhen. Van Roome und die beiden Weber haben mich auf der Stelle überzeugt, dass ich meine Arbeiten neu komponieren muss.«
»Soll das etwa heißen, dass es mir nicht gelungen ist?«
Alix musste lachen.
»Ich würde sagen, dass ich mich von deinen Schmeicheleien einlullen ließ und jetzt begreife, dass du mich nur erobern wolltest. Diese Leute haben mich im Handumdrehen überzeugt.«
»Dabei hätten dir diese Weber den Auftrag für die Teppiche nicht gegeben, wenn ich nicht dazugekommen wäre! Sie wollten nicht mit einer alleinstehenden Frau verhandeln.«
»Das stimmt, aber jetzt kennen sie mich ja. Van Merck ist vielleicht ein wenig pedantisch, aber Van Roome ist sehr charmant. Er hat mir erzählt, dass er die Malerei und die Kunst des Webens in seiner Person vereint. Er besitzt eine Werkstatt mit Hochwebstühlen und kann dort seine eigene Zeichnungen weben.«
Sie drehte sich zu ihm um und hielt ihm den Mund zu, damit er nichts sagen konnte.
»Verstehst du nicht, Alessandro? Er hat versprochen, ganz eng mit mir zusammenzuarbeiten. Er will Zeichnungen für mich machen und ist einverstanden, dass ich an einem Teil der großen Ensemble webe, die er für einflussreiche Auftraggeber anfertigen soll.«
Alessandro nahm sie in den Arm und rollte sie an die Bettkante – beinahe wären sie aus dem Bett gefallen und lachten laut los.
»Ich verstehe nur, dass du mich gerade sehr eifersüchtig machst. Aber das lasse ich mir nicht so einfach gefallen. Ich begehre dich, und das will ich dir jetzt zeigen.«
»Hast du unser Abendessen vergessen? Es steht da auf dem Tisch. Du wolltest das Essen aufs Zimmer gebracht haben.«
»Es ist ohnehin schon kalt und kann warten.«
Sire Van de Veere hatte einen Streit zwischen dem Vogt von Dijon und Alix befürchtet und deshalb einfach die Einladung zum Diner abgesagt – unter dem Vorwand, ihm sei in letzter Minute etwas Wichtiges dazwischengekommen. Bei so einer großen Tischgesellschaft mit lauter Künstlern konnten sich die Gemüter leicht erhitzen und Alix sich wegen des feindseligen Verhaltens eines einzigen Mannes mehr als eine Sympathie verscherzen.
Ohne die beruhigende Gegenwart des Domherrn hätte die enge Beziehung, die sich da zwischen seiner Geliebten und seinem Freund Van Roome anbahnte, dem Florentiner bestimmt einen Stich versetzt.
Die Rückkehr ins »Weiße Barett« vereinte sie schneller als erwartet, und Alessandro beschloss sogar, den ganzen Tag seiner Leidenschaft zu opfern.
Einige Tage später mussten sie sich dann aber doch trennen. Der Florentiner Bankier kam nicht umhin, nach Lyon zurückzukehren, wo er geschäftlich zu tun hatte, versprach Alix aber, er würde eine oder zwei Wochen später nach Tours kommen.
»Bitte halt dich an dein Wort, Alessandro! Jede Nacht werde ich von dir träumen, und am Tag …«
»Am Tag hast du deine Kartons, deine Webstühle und deine Seidenfäden. Ich wette, du machst bestimmt gleich die ersten Entwürfe für Augustus und die Sibylle !«
»Mag sein,
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