Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Gesicht tanzen.
»Bürste meine Haare, damit sie schön glänzen.«
Catherine machte sich an die Arbeit, aber Louise war noch längst nicht zufrieden.
»Irgendwie müssen wir diese fürchterlichen Ringe unter den Augen wegbekommen«, erklärte sie und fuhr sich mit den Fingern über die noch ein wenig verquollenen Lider.
Es brauchte einige Minuten und alle möglichen Salben, Cremes, Lotionen und Puder, bis Louise schließlich mit ihrem Gesicht zufrieden war.
»Perfekt, Catherine. Hol mir jetzt ein weißes, nicht allzu überladenes Kleid; vielleicht das aus Samt mit den silbernen Bündchen. Lauf schnell und bring es mir!«
»Halt, warte!«, hielt sie Catherine noch auf, »geh erst zu René und sag ihm, er soll mich beim Herzog von Bourbon entschuldigen, falls es etwas länger dauert. Und beeil dich!«
Catherine war überrascht, wie nervös die Gräfin plötzlich wirkte, und beeilte sich zu gehorchen. Schließlich kannte sie ihre Herrin gut genug, um zu wissen, dass sie sich bestimmt nicht übermäßig anstrengen musste, um ihr den vertraulichen Grund ihrer Nervosität zu entlocken.
In der kurzen Zeit, die Catherine unterwegs war, stand Louise auf, ging zum Fenster und zog den schweren Brokatvorhang zur Seite. Wie recht sie doch gehabt hatte, als sie Alix schrieb: ›Ich bin
mir beinahe sicher, dass ich ihn am Hof von Amboise wiedersehen werde.‹ Dann ging sie zu ihrem Toilettentisch zurück. Als sie spürte, wie nervös sie war, dehnte sie sich, streckte ihre Arme aus und machte ein Hohlkreuz, holte tief und Luft und war sofort wieder ganz entspannt.
Was bedeutete ihr schon der junge Gatte von Suzanne, der Tochter von Anne de Beaujeu, die sie so hart aufgezogen und ihr einen mittellosen Mann gegeben hatte? Was kümmerten sie jetzt noch die ganzen alten Familienzwiste, da François, ihr Sohn, dem allerhöchsten Amt immer näherkam?
Sollte sie eine Vergangenheit wieder aufleben lassen, die sie längst vergraben hatte?
Louise starrte gedankenverloren aus dem Fenster. In Wahrheit war das Problem viel komplizierter. Sie wusste, dass eines Tages alles wieder an die Oberfläche kommen würde. Louise gehörte nicht zu den Menschen, die schnell aufgeben.
Ihre Cousine Suzanne! Der man schon als kleinem Mädchen die brillantesten Partien angeboten hatte, während sie selbst nur Gegenstand trauriger Kommentare war! Wegen ihr würde Louise mit Sicherheit nicht ihre Gelüste unterdrücken – und jetzt hatte sie gerade die allergrößte Lust, sich von dem jungen Duc de Montpensier den Hof machen zu lassen.
Je weiter Louises Gedanken in die Vergangenheit schweiften, umso größer wurde ihr Zorn auf die Cousine. Im Nachhinein wurde ihr bewusst, dass Anne de Beaujeu sie nach Lust und Laune erniedrigt hatte, als sie sah, wie ihr Mündel von Tag zu Tag bezaubernder wurde, während die eigene Tochter kränkelte und keinerlei Anmut besaß.
Außerdem begann Louise, die Vermögen und Ländereien von ihrem Vater geerbt hatte, von denen sie nie etwas gesehen hatte, aufzubegehren.
Wie hätte die Comtesse d’Angoulême denn all die Einzelheiten über die Genealogie ihrer Familie vergessen können? Immerhin war ihr eigener Vater der Bruder von Königin Charlotte gewesen, der Gattin Ludwigs XI. Louise hatte nie an das mütterliche Erbe gerührt, weil alles Vermögen, das ihr eigentlich zustand, von der Familie Beaujeu oder mit anderen Worten der französischen Krone beansprucht worden war. Wer würde da nicht verstehen, dass sie sich rächen wollte?
Und nun klopfte der Mann an ihre Tür, der im Handumdrehen und sehr geschickt und diskret das gesamte Erbe der Beaujeu und der Bourbon zusammengerafft hatte, die Provinzen Auvergne und Burgund, die Herzogtümer Dombes und Beaujolais, die Grafschaften Châtellerault, Clermont und Montpensier.
Der junge Charles, ein angeheirateter Cousin von Louise, war unumstrittener Herr über ein stattliches Erbe, das er wie die mächtigen Edelleute aus früheren Zeiten regierte.
Louise war so in Gedanken versunken, dass sie beim Erscheinen ihres Zimmermädchens erschrocken zusammenfuhr. Catherine hatte zwei Kleider geholt. Ein hellbraunes mit beigefarbenen Spitzen und ein weißes, das ein Mieder mit silbernen Applikationen schmückte. Nachdem Louise beide Roben probiert hatte, entschied sie sich für das Spitzenkleid, weil es perfekt zu ihren ungebändigten rotblonden Haaren passte und sehr ungezwungen wirkte, auch zu der frühen Stunde, die sich so vielversprechend anließ.
Als sie sich dann
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