Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Erneuerung. Wie Königin Anne umgab sich auch die Comtesse d’Angoulême mit Kopisten, Illuminierern, Teppichwebern und Dichtern.
Lächelnd und mit ausgestreckten Armen eilte Louise auf ihre Freundin zu.
»Da seid Ihr ja, Alix!«, rief sie erfreut. »Gott, wie schnell die Zeit vergangen ist!«
»Und wie viele Tote es gegeben hat, die man nicht wieder lebendig machen kann, so viel Kummer und Sorgen.«
»Ich bin gerade so glücklich und zufrieden, liebe Alix«, meinte die Gräfin. »Bitte verfinstert mir nicht diese Tage, die auch für Euch strahlend schön werden – da bin ich mir ganz sicher. Ich habe bereits von Euren Erfolgen vernommen. Was Ihr mir in
Euren Briefen geschrieben habt, war ja wohl nur ein Vorgeschmack auf das, was Ihr noch alles vorhabt.«
»Aber, Louise, ich versichere Euch, dass …«
»Ta, ta, ta«, machte Louise und musste lachen, weil sie genauso reagierte wie ihre Schwiegermutter, die alte Gräfin, wenn sie nicht mit ihrer Schwiegertochter einverstanden war. »Wie ich höre, wollt Ihr mit Unterstützung der Florentiner ein Kontor im Val de Loire eröffnen!«
»Und mir ist zu Ohren gekommen, dass Souveraine bald Hochzeit feiern wird, Louise«, versuchte Alix abzulenken.
»Richtig, mit Chevalier Michel Gaillard de Longjumeau. Für sie ist er eine ausgezeichnete Partie.«
»Ihre Mutter Jeanne muss ja begeistert sein.«
»Da habt Ihr recht. Sie hört nicht auf, sich bei mir zu bedanken – wie ein kleines Mädchen, dem man ein Spielzeug geschenkt hat. Sie scheint manchmal zu vergessen, dass Souveraine die Halbschwester meiner Kinder ist und ich meinem Gatten auf dem Totenbett geschworen habe, die Verantwortung für seine drei unehelichen Kinder zu übernehmen.«
Dann nahm Louise die Freundin beiseite und sagte leise:
»Lasst uns lieber von Euren Plänen reden, Alix. Ich möchte Euch etwas anvertrauen; aber dazu gehen wir besser in mein Zimmer, da sind wir ungestört. Ich muss über einige Dinge mit Euch sprechen, die mir sehr am Herzen liegen.«
Mit etwas lauterer Stimme meinte sie vergnügt:
»Das wird eine schöne Hochzeit! Alle sagen, dass Souveraine und ihr Zukünftiger ein prächtiges Paar abgeben.«
»Mich wundert nur, dass die Feierlichkeiten nicht auf Amboise stattfinden.«
»Das wundert Euch? Es hat uns alle verwundert! Doch die Renovierungsarbeiten auf Schloss Blois sind so gut wie abgeschlossen.
Alle Räume wurden in dem neuen Stil aus Italien eingerichtet und dekoriert. Ich glaube, der König will die Gelegenheit zum Anlass nehmen, diese ganze Pracht zur Schau zu stellen – nicht zuletzt als Bühne für Marguerite und François. Deshalb ließ ich Euch auch nach Blois und nicht nach Amboise kommen. Wollt Ihr bleiben und die Hochzeit mit uns feiern? Ihr seid natürlich herzlich eingeladen.«
»Das geht leider nicht. Ich muss zurück nach Tours, um Sire Van de Veere zu treffen, der sich eine Zeit lang in Lyon aufgehalten hat.«
Sofort drehte sich Louise zu Alix um und bedeutete ihr zu schweigen. Sie nahm ihren Arm und schob sie sanft, aber entschieden in ihr Zimmer.
»Château Blois ist bestimmt prachtvoll, aber ich fühle mich hier sehr eingeengt. Immer wieder habe ich das Gefühl, die Leute der Königin überwachen mich. Ich möchte auf keinen Fall, dass irgendetwas von unserer Unterhaltung nach außen dringt. So, nun sind wir endlich ungestört.«
Sie bot ihrer Freundin einen Sessel an.
»Dieser Van de Veere ist ein Florentiner Bankier, oder?«
»Ja.«
»Hat er Euch auch das Geld geliehen, das Ihr zur Eröffnung Eures Florentiner Kontors braucht?«
Als Alix schwieg, fuhr sie fort:
»Mir scheint, er ist auch der Mann, der Euch verführt hat?«
Alix nickte nur, und Louise deutete ein Lächeln an.
»Ich möchte Euch um einen Gefallen bitten, Alix.«
»Welchen denn?«
»Wärt Ihr bereit, mir zu helfen?«
»Aber natürlich, wenn ich es kann, wäre es mir ein großes Vergnügen, Euch zu helfen. Nur kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich Euch nützlich sein könnte!«
»Ich will es Euch erklären. Seit der König einsehen musste, dass er keinen eigenen Thronerben bekommen wird und François der Einzige im gesamten Königreich ist, der als Thronfolger in Frage kommt, gewährt er mir immer größere Kredite. Ich wage es aber nicht, mehr von ihm zu verlangen als er mir ohnehin zugesteht.«
Mit einem Nicken gab Alix zu verstehen, dass sie ihr folgen konnte. Louise trat ans Fenster und blickte gedankenverloren auf das Treiben im
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