Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Hof.
»Seit einiger Zeit hat der König mir die Vormundschaft über meine Kinder zurückgegeben, mit der er seit dem Tod meines Gatten beauftragt war. Deshalb kann ich nun auch über das gesamte Vermögen der Familie d’Angoulême verfügen. Es steht mir – sowie Marguerite und François – von Gesetz wegen zu.«
Ohne recht zu wissen, worauf Louise hinauswollte, hörte ihr Alix einfach zu und begriff schließlich, worum ihre Freundin sie bitten wollte.
»Alle, die etwas von Geld verstehen, sagen, dass Golddukaten zurzeit eine weitaus bessere und sicherere Anlage sind als Florins oder Pfund.«
»Das haben mir die Bankiers ebenfalls erklärt.«
»Deshalb möchte ich bei einem italienischen Bankier Anleihen machen, über einen Vermittler, der im Languedoc Obersteuereinnehmer war und dessen Bekanntschaft ich kürzlich gemacht habe. Sicher erinnert Ihr Euch noch, Alix, dass ich Euch geschrieben hatte, ich wollte ihn Euch vorstellen. Nun hat er also seiner Provinz den Rücken gekehrt und will sich in Tours niederlassen, wobei ihm sehr entgegenkommt, dass sein Sohn zum Bischof der Stadt ernannt werden soll.«
»Sein Sohn ist Bischof Martin de Beaune.«
»Woher wisst Ihr das? Seine Ernennung ist noch geheim«, wunderte sich Louise.
»Oje!«, meinte Alix verlegen, weil sie so vorlaut gewesen war. »Ich kenne einen Prälaten, der mir aus einer sehr unangenehmen Lage geholfen hat. Er war früher ein einfacher Mönch am Bischofssitz von Reims und ist dann aufgrund seiner Versetzung nach Tours zum Domherrn ernannt worden. Er ist der Sohn von einem der größten Seidenhändler aus Lyon.«
Louise seufzte tief. Ein Domherr! Das war ja hundertmal besser als ein Höfling. Beruhigt lächelte sie ihre Freundin an. Alix hatte eben immer wieder eine Überraschung für sie parat. Kaum hatte sie sich an ihre Witwenschaft gewöhnt und von ihren vielen persönlichen Sorgen und Nöten erholt, da machte sie auch schon wieder äußerst wichtige Bekanntschaften. Dabei wusste Louise natürlich, dass jemand aus den Kreisen der Weber, Maler oder Dichter, der seine einfache Herkunft loswerden wollte, die höchsten Sphären erreichen konnte – vorausgesetzt, er hatte Talent. Die Granden des Königreichs verlangten ständig nach der Anwesenheit von Künstlern am Hofe und halfen ihnen bereitwillig bei ihrem Aufstieg.
»Bitte sprecht mit niemandem darüber! Die Ernennung von Monseigneur de Beaune soll erst in einigen Wochen bekannt gegeben werden.«
»Natürlich, Louise, das wollte ich ohnehin nicht. Aber ich verstehe noch immer nicht recht, wie ich Euch behilflich sein könnte.«
»Ihr sollt mich diesem Van de Veere in Gegenwart von Sire Jacques de Beaune, dem Vater des zukünftigen jungen Bischofs von Tours, vorstellen.«
»Oh, das dürfte kein Problem sein!«
Louise erhob sich.
»Sollte es zu dieser Verabredung kommen, möchte ich aber nicht, dass sie auf Blois oder in Amboise stattfindet, wo mich die Leute
der Königin ständig ausspionieren. Wir müssen uns an einem geheimen Ort treffen. Könntet Ihr mich vielleicht bei Euch zu Hause empfangen?«
Alix wurde blass vor Schreck. Das war ganz ausgeschlossen. Alessandro zu sich nach Hause zu bringen, unter Mathias’ eifersüchtigen Blicken, wäre ein Fehler, den sie auf keinen Fall begehen durfte. Ihr Verhältnis zu Mathias war erst seit Kurzem friedlich, wenn auch nicht ohne Spannungen. Sobald sie eine bevorstehende Reise erwähnte, verkniff er sich einen Kommentar dazu oder verließ den Tisch.
»Ich fürchte, bei mir zu Hause ist es viel zu unruhig«, meinte Alix ausweichend. »Das wäre bestimmt keine gute Lösung. Ich denke da eher an den Ort, an dem ich mich mit Alessandro treffen werde.«
»Alessandro!?«
Alix wurde rot.
»Bitte entschuldigt. Alessandro ist Sire Van de Veere. Wie ich Euch eben sagte, hält er sich zurzeit in Lyon auf. Aber er wollte in einigen Tagen zurück in Tours sein.«
Die Comtesse d’Angoulême lächelte verständnisvoll, musste dann aber doch laut lachen bei der Vorstellung, dass dieser einflussreiche Bankier der Geliebte von Alix war.
»Wie auch immer, Ihr sollt bestimmen, wann und wo wir uns treffen. Was schlagt Ihr vor?«
»In acht Tagen, am späten Abend im Gasthaus ›Zur fischenden Katze‹. Das ist direkt an der Loire, gegenüber von der großen Insel. Ich erwarte Euch dort.«
Die Uferlandschaft rund um die »Fischende Katze« war ein Ort zum Träumen. Seit dem Vorabend, als sich Alessandro und Alix dort getroffen hatten, gab es
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