Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
Vom Netzwerk:
Arbeiter mussten die Namen und Titel ihrer Auftraggeber kennen.
    »Was die Namen der hohen Herrschaften betrifft, so haben sie oft einen zweiten Familiennamen, den du auch kennen musst«, fuhr sie deshalb fort. »Spreche ich also von Charles de Bourbon, ist das auch der Herzog von Montpensier, oder wenn ich Gaston de Foix sage, ist damit auch der Duc de Nemours gemeint. Den zweiten Namen haben sie meist, weil ihnen in jungen Jahren eine Domäne zugesprochen wurde, die ihnen dann zusätzlich zu ihrem Erbe gehört.«
    »Das habe ich verstanden, Dame Alix.«
    »Sehr gut! Um noch einmal auf den Duc d’Angoulême zurückzukommen  – er darf sich jetzt auch Duc de Valois nennen, seit ihm der König das Herzogtum Valois gegeben hat.«
    Philippe war viel selbstbewusster geworden, seit er in der Werkstatt arbeitete, genau wie Grégoire, der zusammen mit Mathias auf einem der Hochwebstühle an dem Trojanischen Krieg arbeitete.
    »Du machst den kleinen Teppich für Prinzessin Claude fertig. Nachdem Arnaude jetzt etwas anderes zu tun hat, musst du allein arbeiten. In ein paar Monaten zeigt dir Mathias, wie man an einem Hochwebstuhl arbeitet.«
    »Ich soll ganz allein arbeiten!«
    »Bist du nun ein Arbeiter oder nicht?«
    »Doch, ja natürlich«, sagte Philippe leise.
    »Dann musst du auch lernen, allein zurechtzukommen. Schau dir Grégoire an! Er kann jetzt an dem Hochwebstuhl arbeiten, ohne dass ihm ständig jemand auf die Finger sehen muss.«
    Die beiläufige Erwähnung des Rivalen spornte seinen Ehrgeiz an, und er strahlte vor Freude, warf sich in die Brust und schenkte Grégoire, der gerade in die Reparatur eines gebrochenen Kamms vertieft war, einen nachsichtigen Blick.
    »In ein paar Tagen gehst du dann in die andere Werkstatt und arbeitest mit Arnold und Landry zusammen, weil wir die vier Hochwebstühle für die Jungfrauen des Vatikans brauchen.«
    »Ich dachte, das Ensemble besteht aus sechs Teppichen!«
    »Bis jetzt sind nur vier gezeichnet. Wir müssen abwarten, was daraus wird. Alles hängt davon ab, welche Motive ich aus Italien mitbringe.«
    Als sie Mathias laut schimpfen hörte, drehte sie sich nach ihm um.
    »Nein, Grégoire, nein und nein und noch mal nein! Wie oft habe ich dir jetzt schon gezeigt, wie man einen gebrochenen Kamm oder einen beschädigten Kettenfaden repariert? Du magst ja einiges von der Arbeit am Hochwebstuhl verstehen, aber vom Reparieren hast du wirklich keine Ahnung. Schau mir noch einmal zu und versuch’ es dir zu merken.«
    Alix musste lächeln. Jacquou hatte Mathias alles über die Kunst des Reparierens beigebracht. Er hatte ihn in all die kleinen Geheimnisse eingeweiht, mit denen sich ein guter Weber immer zu helfen weiß, wenn ein Webstuhl kaputt ist. Sie wollte gerade sagen, dass Grégoire das bestimmt eines Tages genauso gut beherrschen würde wie Mathias, als die Tür aufging.
     
    Wie vom Donner gerührt starrte Alix Alessandro an, der plötzlich unangemeldet vor ihr auftauchte.
    Schweißperlen standen ihr auf der Stirn, und sie spürte, wie ihr ein anderer, kalter Schweiß den Rücken hinunterlief. Hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, Freudenschreie auszustoßen und sich in seine Arme zu werfen oder ihre Entrüstung über dieses unangemeldete Eindringen zu zeigen, blieb sie wie versteinert stehen.
    Alessandro stand noch in der halb geöffneten Tür, sah sie an und zwang sich zu einem Lächeln, weil er nicht verstand, warum sie ihm nicht in die Arme flog.
    »Alix, bitte entschuldige die Überraschung, aber ich konnte dich nicht verständigen.«
    Sie hatte das Gefühl, der Boden unter ihren Füßen schwankte. Warum hatte ihr Alessandro keine Nachricht zukommen lassen? Warum erwartete er sie nicht in seinem Haus? Collas hätte ihr nur einen kleinen Brief bringen müssen, und sie wäre auf der Stelle zu ihm geeilt.
    Sie hatte sich nicht von ihrem Platz gerührt und starrte ihn noch immer fragend an. Alessandro trug sein schwarzgoldenes Wams mit Hermelinbesatz und scharlachrote Hosen. Mit seinem vornehmen, stattlichen Auftreten wirkte er wie ein Florentiner Prinz, und alle in der Werkstatt ließen neugierig die Arbeit ruhen.
    Pierrot wagte ein wie üblich etwas respektloses Grinsen, aber Arnaude und Philippe zeigten eine Mischung aus Staunen und Bewunderung, und auch Grégoire starrte den hohen Herrn sprachlos an, der nur Augen für Alix zu haben schien.
    Alix war noch immer wie versteinert und sagte kein Wort, und diese Stille wirkte bedrückend. Hinter sich hörte sie Mathias

Weitere Kostenlose Bücher