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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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näher kommen. Er stand dicht hinter ihr, und sie spürte sogar seinen Atem in ihrem eiskalten Nacken. Alessandro machte einen Schritt auf sie zu.
    »Eine vollkommen unvorhergesehene und ebenso unvermeidliche Reise nach Paris ist der Grund für meinen Abstecher ins Val de Loire. Ich musste einfach kommen und dich in die Arme nehmen.«
    Alix schwieg noch immer. Ihre Beine waren zwar nicht mehr ganz so kraftlos, aber nach wie vor lief ihr unangenehm kalter Schweiß den Rücken hinunter. Sie streckte die Hände aus, ließ sie aber gleich wieder sinken, um weiteren, noch verräterischeren Gesten zuvorzukommen.
    »Ach, mein Herz! Ich hatte solche Lust, diese Werkstätten kennenzulernen, die du schon so lange vor mir versteckst! Wo sind sie denn, deine Millefleurs, deine Madonnen, Ritter und Pferde? Und Augustus und die Sibylle möchte ich auch endlich bewundern dürfen!«
    Lähmendes Schweigen. Jetzt erst begriff Arnaude, was vor sich ging, und plötzlich fiel ihr alles wieder ein. Der Florentiner Bankier! Der Ratgeber! Der Freund, der alle Schwierigkeiten im Handumdrehen beseitigt hatte. Alix harrte reglos der Dinge, die da kommen mussten.
    »Alessandro!«, sagte sie schließlich und wandte sich um.
    Mathias starrte den Florentiner an, als wollte er ihn mit Blicken töten. Sein blasses Gesicht verhieß nichts Gutes. Sire Van de Veere hatte sich mittlerweile von der sonderbaren Begrüßung erholt und ahnte, dass etwas nicht in Ordnung war. Er musterte Mathias, der Alix festhalten wollte. Aber sie riss sich von ihm los, ging einen Schritt auf den Bankier zu und sagte mit unsicherer Stimme: »Darf ich Euch Mathias vorstellen, Sire Van de Veere?«
    Natürlich wusste sie, wie lächerlich ihr Verhalten war. Jeder hatte gehört, dass der Fremde laut und deutlich »mein Herz« zu ihr gesagt hatte. Warum also sprach sie ihn bei seinem Nachnamen an? War es wegen ihrer Angestellten oder Mathias zuliebe?
    Natürlich hätte Sire Van de Veere mehr Feingefühl und Takt beweisen müssen, wenn er schon so unangemeldet erschien. Was sollte dieses unhöfliche Benehmen? Wie konnte er die Sitten und Gebräuche einer Gesellschaft missachten, nach denen auch er leben und an deren Gesetze er sich halten musste? Warum legte er ein derart unfeines Verhalten an den Tag? Alix musste ihm zeigen, dass etwas mehr Bescheidenheit angebracht gewesen wäre. Deshalb fuhr sie auf gut Glück fort:
    »Mathias ist mein Kompagnon, Sire Van de Veere. Und hier seht Ihr die Teppiche, an denen wir arbeiten.«
    Gott, wie dumm sie war! Mit der Hand deutete sie auf die Webstühle, von denen sie die fertigen Teppiche abgenommen hatten. Aber der Florentiner kam näher und fragte mit einem Blick auf die nahezu leeren Webstühle erstaunt:
    »Wo ist denn nun der Trojanische Krieg , den der König von Frankreich bei Euch in Auftrag gegeben hat?«
    Wieder begegnete er Mathias’ Blick. Weil er aber zu klug war, um nicht zu begreifen, was ihm Alix zu verstehen geben wollte, hielt er sich nun doch ein wenig mehr an die Regeln von Anstand und Sitte.
    »Richtig, Ihr sagtet ja, dass dieses Ensemble beinahe fertig sei. Zu schade, dass ich es nicht bewundern kann!«
    Dabei fixierte er weiter mit finsteren Blicken Mathias, der die Zähne zusammenbiss, um sich zu beherrschen. Mit kaum verhohlener Wut in der Stimme sagte der Weber:
    »Darf ich Euch das berühmte Kontor zeigen, in dem wir alle Arbeiten ausstellen, die unsere Werkstatt verlassen?«
    »Aber natürlich.«
    Mathias ging vor und führte den Bankier nach draußen, weil sie den Hof überqueren mussten, um in die Werkstatt zu kommen, in der Julio und Angela arbeiteten. Alix war verärgert, dass er die
Sache in die Hand nahm, konnte aber nichts dagegen tun und lief ihnen hinterher. Ihr Herz schlug heftig, aber sie fasste sich langsam wieder. Wie kam Mathias dazu, die Initiative zu ergreifen? Ihr wäre es lieber gewesen, er hätte beleidigt und störrisch reagiert und kein Wort gesagt, solange Alessandro in der Werkstatt war.
    Kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen, als Mathias sich umdrehte und Van de Veere außer sich vor Zorn mit eisigem Blick ins Visier nahm:
    »Kommt nie wieder hierher, Monsieur le Florentin! Ihr habt hier nichts verloren, das ist mein Reich. Begnügt Euch mit Eurem Haus, das Ihr in der Stadt gekauft habt, und schleppt Alix dahin, wenn Ihr es nicht lassen könnt.«
    »Monsieur!«, erwiderte Alessandro empört.
    Mathias war aber noch immer in Rage und wandte sich nun an Alix.
    »Ich will hier in

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