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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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Kopf!“
    „Nicht Liebe ist Sünde“, brachte ich eine schwache Verteidigung vor. „Nur das Begehren.“
    „Aber warum?“
    Als ich betreten schwieg, seufzte sie, drängte sich an mich, legte die Arme um meinen Nacken und sah mir ins Gesicht.
    „Begehrst du mich?“, fragte sie neckisch.
    Ich sah ihre herrlichen, dunkel glühenden Augen, die weichen Wangen, den schön geschwungenen Mund und schauderte vor Verlangen.
    „Bei Gott, ich begehre dich mehr als Speise und Trank, mehr als Ruhe oder Schlaf, mehr als Segen oder Gnade, mehr als alles andere auf der Welt“, sagte ich besiegt. „Ich bekenne meine Schuld vor Christus.“
    Lana lächelte, und ihre Augen waren wie tiefe Brunnen, auf deren dunklem Grund Feuer glühte.
    „Vergiss Christus“, flüsterte sie, „wenigstens für die nächsten Stunden.“
    Und sie verschloss mir den Mund mit einem zärtlichen Kuss.
    Was folgte, brauche ich nicht zu beschreiben; es genügt zu sagen, dass wir später noch lange auf der Lichtung saßen und unsere erhitzten Leiber in der Nachtluft kühlten. Lana kam nicht auf unser Gespräch zurück, und auch ich bemühte mich, unseren unterschiedlichen Glauben nicht mehr zur Sprache zu bringen, zumal der meine tief erschüttert war.
    Als wir jedoch zum Lager zurückgingen und uns trennten, war ich innerlich tief aufgewühlt. Stets fühlte ich mich vollkommen mit mir selbst im Reinen, solange Lana bei mir war; kaum aber war ich allein, überfielen mich Zweifel und Gewissensnot. Hatte ich Gott abgesagt, meinen Glauben verloren, meinen Heiland geleugnet? Womöglich war das, was ich für mein größtes Glück hielt, nichts anderes als eine List des Teufels, der sich – wie die Priester sagten – gern eines Weibes bediente, um die Männer vom Pfad der Tugend fortzuziehen.
    In Lanas Welt jedoch gab es keinen eifersüchtigen Gott, der ein strenges Gericht über die Menschen hielt und die Abtrünnigen zur Hölle verdammte. Oft hatte sie mir von dieser Welt berichtet und jene Geschichten erzählt, die ihre Großmutter sie gelehrt hatte. Sie klangen nicht mahnend wie die Worte der Christenpriester, sondern waren voller Zauber: vom Himmelsgewölbe, zu dem die Seelen der Toten aufstiegen – von der Mutter Erde, deren Haar das Gras war – vom Streit der Sonne mit den Wolkengeistern und ihrem abendlichen Bad im fernen Meer – vom Mond und seiner jungen Geliebten, dem Abendstern, deren Tränen am Morgen als Tau auf dem Gras lagen. Auch von den Wasserfrauen mit durchsichtigem Leib und rotem Haar, die sich in Schwäne verwandeln konnten – von den Windgeistern, die auf einem Wagen mit geflügelten Pferden über den Himmel jagten – und von Smert, dem Tod, der kein Knochenmann mit drohend erhobener Sense war, sondern ein weißgekleidetes Mädchen, das unter der Erde wohnte und für jedes Menschenleben eine brennende Kerze hütete. Diese Erzählungen trugen vielleicht am meisten dazu bei, mich von meinem Gott zu entfernen, denn trotz ihrer Fremdheit waren sie so sinnlich und bezaubernd, dass sie sich vom christlichen Glauben unterschieden wie der Klang eines Liedes von der Kargheit des gesprochenen Wortes. Diesem Reiz der Sinnlichkeit drohte ich zu erliegen, wie ich ihm bereits in Lanas Armen erlegen war.
    Ein Priester hätte mir bittere Vorwürfe gemacht und mir womöglich gar die Absolution verweigert. Doch hier war kein Priester in Reichweite, und der einzige Christ, mit dem ich sprechen konnte, war kein sonderlich frommer Mann.
    „Ich freue mich für dich, Odo“, sagte Hartmann, als wir am nächsten Morgen beim Frühstück saßen.
    „Was meint Ihr?“, fragte ich erschrocken und verschluckte mich beinahe an meinem Getreidebrei.
    „Glaubst du etwa, ich wüsste nicht, wohin du jeden Abend verschwindest, wenn du meinst, dass ich bereits schlafe?“
    Ich schwieg betroffen, beruhigte mich jedoch rasch. Im Grunde hatte ich gar nicht damit gerechnet, dass ein so lebenserfahrener Mensch wie Hartmann meine häufige Abwesenheit arglos hinnahm.
    „Sie ist ein hübsches Mädchen“, sagte er geradeheraus. „Für meinen Geschmack ein wenig schmal, aber von feurigem Blut. Es ist schön zu sehen, dass du dich endlich wie ein normaler junger Mann verhältst. Ehrlich gesagt hatte ich mir schon Sorgen gemacht, weil mir schien, dass du für die Reize des weiblichen Geschlechts so unempfänglich bist.“
    Seine Offenheit gab mir den Mut, mich ihm rückhaltlos anzuvertrauen. „Ich habe Angst“, gestand ich. „Was ich tue, könnte eine schwere Sünde

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