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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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ohnehin leer ausging. Der Besitzer des Mädchens jedoch gab mir hämisch zu verstehen, ich könne sie schon haben, wenn ich ihm den Verlust ersetzen würde – und dann verlangte er eine horrende Ablösesumme, die ich nicht aufbringen konnte. Ich versprach meiner Geliebten, das Geld zu beschaffen, und zog nach Lothringen, um dort als Soldritter zu kämpfen. Als ich zurückkehrte, hatte ich das Geld – doch das Mädchen war inzwischen tot. Ihr Herr hatte eine Fehde mit einem benachbarten Burgvogt begonnen, und im Verlauf der Kämpfe war die Schmiede niedergebrannt worden.“
    Ich lauschte betroffen. Nie hätte ich vermutet, dass es in seinem Leben derartige Schicksalsschläge gegeben hatte. Offenbar war Hartmann nicht immer der Mann gewesen, der bei jeder Gelegenheit arme Bauernmädchen notzüchtigte oder sich für eine Nacht eine Hure mietete.
    „Beim zweiten Mal war ich Ende zwanzig“, fuhr Hartmann fort. „Diesmal war es so ernst, dass ich daran dachte, meine Geliebte zu entführen und mit ihr bis ans Ende der Welt zu fliehen … doch ihr Vater hätte nicht eher Ruhe gegeben, bis er mich gefunden und getötet hätte. Er war Graf, also Hochadliger, und seine Tochter war einem anderen Grafen versprochen. Nie hätte er zugelassen, dass sie einen fahrenden Ritter ohne Besitz zum Mann nahm. Am Ende fehlte mir der Mut, und ich gab auf und zog meiner Wege. Sie hat jenen Grafen geheiratet, wie ich später hörte, und ihm drei Kinder geboren. Bei der vierten Geburt ist sie gestorben – möge sie in Frieden ruhen.“ Er seufzte tief. „Verstehst du, was ich dir sagen will? Gott kümmert sich nicht um Liebende. Ich bin sicher, dass er dir nicht zürnt und deine Liebe nicht missbilligt, aber er wird dir auch nicht helfen, sie zu beschützen. Du allein musst entscheiden, was du tun willst.“
    Er verstummte – und auch ich vermochte nichts mehr zu erwidern, denn seine Worte erzeugten in mir ein Gefühl von fröstelnder Einsamkeit. Fast wünschte ich mir den eifernden und rächenden Gott zurück, der mich vielleicht verurteilte, mir aber wenigstens eindeutig sagte, was richtig und was falsch war. Ohne ihn war ich gänzlich auf mich selbst gestellt.
    Ich hätte tun können, was mir bei Hartmanns Worten durch den Sinn geschossen war: meinen Glauben aufgeben, meine Herkunft leugnen und sie zur Frau nehmen, sofern die Gesetze der Wenden dies erlaubten. Doch ich zögerte und wagte nicht, diesen Gedanken weiterzuverfolgen, denn er schien mir allzu ungeheuerlich. Vielleicht hätte die Zeit dazu beigetragen, meinen Sinn zu wandeln und den Entschluss in mir reifen zu lassen – doch es war mir nicht mehr Zeit genug gegeben.

Wie wir zum zweiten Mal in Gefangenschaft gerieten
    Weitere Tage vergingen, und ein schicksalhafter Abend nahte, an dem ich mit Lana auf der Waldlichtung saß und in den Sonnenuntergang blickte. Sie kauerte im Schneidersitz, wie es gewöhnlich ihre Art war; ich hatte mich rücklings im Gras ausgestreckt und den Kopf in ihren Schoß gelegt. Abwesend streichelte ich ihre Knie, während ihre Hände mit meinen Haaren spielten.
    „Du bist so still in letzter Zeit“, sagte sie.
    „Ich denke nach“, antwortete ich leise. „Ich frage mich, was aus uns werden wird, wenn … wenn der Krieg vorbei ist.“
    Sie schwieg abwartend.
    „Vielleicht werden deine Leute mich und meinen Herrn töten“, fuhr ich fort.
    „Das werde ich nicht zulassen“, sagte sie ruhig.
    „Wie willst du es verhindern?“
    „Ich werde mit Pribek reden. Er ist der Älteste eines Nachbardorfes und der angesehenste Mann im Lager.“
    „Würde er denn auf dich hören?“
    „Dafür würde ich schon sorgen“, sagte Lana – und es klang so überzeugend, dass ich ihr glaubte. Immerhin wusste niemand besser als ich, welche Willenskraft sie entwickeln konnte, wenn die Umstände es erforderten.
    „Treffen die Ältesten bei euch alle wichtigen Entscheidungen?“
    „Gewöhnlich schon. Nur wenn es um ein Urteil über Leib und Leben geht, ziehen sie zu einem Tempel unserer Götter und befragen die Priester.“
    „Angenommen, es ginge darum, wen jemand heiraten darf“, rückte ich heraus. „Könnte Pribek so etwas entscheiden?“
    Lana senkte langsam den himmelwärts gerichteten Kopf und blickte mir in die Augen.
    „Meinst du etwa …“ Ich bemerkte gerührt, dass ihre Lippen bebten. „Willst du damit sagen, dass du mich zur Frau nehmen würdest?“
    Die Antwort lag mir auf der Zunge, doch ich kam nicht dazu, sie auszusprechen.
    „Nein!“,

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