Die Tränen der Vila
schnellem Wendisch an Lana.
„Und sag ihr: Wenn sie uns in die Irre führt oder in einen Hinterhalt, wird sie sofort getötet“, fügte Knut hinzu.
Der wendische Bauer übersetzte erneut, und Lana nickte mit zu Boden gewandtem Gesicht.
Befriedigt ging Knut zu seinen Männern zurück und bestieg sein Pferd, das von einem Diener herbeigeführt wurde.
„Das Mädchen nach vorn!“, radebrechte Erik in kaum verständlichem Deutsch und bedeutete uns, die Plätze zu tauschen.
Ich hoffte verzweifelt, dass Lana wusste, was sie tat, als sie den Weg nach Westen einschlug. Wir schritten dem gesamten Heer voran, geführt von Erik, der das Ende des Stricks hielt, flankiert von Knut und Sven und gefolgt von einem Tross aus Tausenden von Männern. Wir wagten nicht, miteinander zu sprechen. Nur Hartmann hinter mir fluchte gelegentlich, wenn er über seine Krücke stolperte.
Wir zogen bis zu einer Wegkreuzung, an der Lana die Abzweigung nach Süden wählte. Für längere Zeit schloss uns dichter Wald ein, dann wichen die Bäume zurück, und hügeliges Wiesenland tauchte auf. Noch zwei weitere Kreuzungen und eine Holzbrücke passierten wir, bis Lana schließlich hörbar aufatmete und mir etwas zuflüsterte.
„Dieser Bach fließt in den großen See – wir sind auf dem richtigen Weg.“
Die Sonne war noch nicht untergegangen, als am südlichen Horizont tatsächlich der glänzende Wasserspiegel des großen Sees auftauchte. Fern zur Linken durchschnitt eine dunkle Linie das Wasser, und je länger wir darauf zuhielten, desto deutlicher erkannte ich die bewaldete Landenge wieder, in deren Mitte sich die Burg erhob. Die hölzernen Brustwehren schimmerten in der Abendsonne.
„Unglaublich“, flüsterte Hartmann hinter mir. „Tagelang sind wir durch Wälder und Moore geirrt, ohne zurückzufinden … und nun war es nur ein Marsch von fünf Stunden.“
Die Dänen brachen beim Anblick der Burg in Triumphgeschrei aus. Knut von Jütland reckte sich im Sattel und trieb die ermüdeten Truppen zur Eile an. So hatten wir bei Einbruch der Dämmerung die Landzunge erreicht und überwanden die letzte Meile bis zum Festungswall.
Im ersten Moment stutzte ich, denn ich erkannte das Umland nicht wieder. Dann erst fiel mir ein, dass wir uns jetzt auf dem nördlichen Teil der Landzunge befanden, während das Heer des Herzogs auf der Südseite der Burg lag. Dennoch wurden wir erwartet, denn unweit des Burggrabens stießen wir auf ein kleines Zeltlager und eine berittene Truppe, die uns mit erhobenem Kreuzbanner entgegenkam. Knut und Sven ritten voraus, um ihre Verbündeten zu begrüßen – wobei jeder der beiden Vettern bemüht war, sich vor den anderen zu drängen. Ein älterer Ritter von imposanter Statur trabte ihnen entgegen und hob grüßend die Hand.
„Das ist Konrad!“, raunte Hartmann mir aufgeregt zu. „Konrad von Zähringen!“
Und wider alle Vernunft strebte er vorwärts, reckte die Arme und rief: „Herr, helft uns! Erinnert Ihr Euch an mich? Ich bin …“
Doch weiter kam er nicht, denn Erik, der uns noch immer am Strick führte, versetzte ihm einen Faustschlag. Hartmann verstummte mit blutigem Mund und blickte den Hauptmann zornfunkelnd an. Dieser wandte sich befriedigt ab, verschränkte die Arme und blickte abwartend zu den Edlen hinüber, die sich in einiger Entfernung außer Hörweite unterhielten.
Schließlich kam Knut zurück und winkte seinen Hauptleuten. Das Heer setzte sich erneut in Marsch, um die Ebene vor dem Festungswall zu besetzen und ein Lager aufzuschlagen. Zugleich sahen wir, wie Konrad von Zähringen seine Männer sammelte und in die Gegenrichtung aufbrach – offenbar kehrten sie zur Südseite der Burg zurück und überließen den Dänen das Feld.
Erik band uns, wie bereits am Mittag, an einen nahen Baum. Erschöpft ließen wir uns im Gras nieder und beobachteten, wie die Zelte errichtet, die Karren abgestellt und die Lagerfeuer entzündet wurden, woraufhin die Männer sich niederließen, um sogleich neue Metfässer zu öffnen. Lediglich Knut, dessen Zelt in unserer Nähe stand, sahen wir noch längere Zeit mit seinen Hauptleuten sprechen und offensichtlich Wachdienste einteilen. Als die Männer sich entfernt hatten, fiel sein schweifender Blick auf uns, als hätte er seine Gefangenen ganz vergessen.
„Nun komm schon, du dänischer Hundesohn!“, presste Hartmann leise hervor. „Und wehe dir, wenn du Konrad nicht unsere Namen genannt hast, damit wir endlich freikommen!“
Als hätte Knut seine Worte
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