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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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Lehmboden saßen zwei Männer in schmutzigen Lederwämsen. Einer von ihnen, der einen blutgetränkten Verband um den Kopf trug, schien bewusstlos zu sein oder zu schlafen; jedenfalls nahm er unsere Ankunft mit keiner Regung zur Kenntnis. Der andere, der wie Hartmann eine Beinwunde hatte, hob den Kopf und sagte mit müder Stimme: „Sieh an, edler Besuch in unserer unwürdigen Höhle!“
    Offenbar gehörten die beiden zum Heer des Herzogs und waren bei dem missglückten Sturmangriff gefangen genommen worden. Vor ihnen am Boden standen ein Tonkrug mit Wasser und eine Schüssel mit Resten von Getreidebrei, womit immerhin bewiesen war, dass die Eingekerkerten verpflegt wurden.
    Währenddessen hatten die Dänen sich in der gegenüberliegenden Ecke der Grube zusammengerottet. Es waren fünf Mann, Erik eingeschlossen, der sich seine zahllosen Prellungen rieb und uns feindselig anstarrte.
    Mein Herr hatte sich an der Längswand der Grube bei unseren Landsleuten niedergelassen und streckte seufzend sein steifes Bein aus.
    „Und schon wieder in der Falle“, sagte er mit einem Anflug müden Humors zu mir. „Immerhin sorgt der Austausch der Kerkermeister für ein wenig Abwechslung.“
    Die Nacht verging, und irgendwann fiel blasses Morgenlicht auf den Boden unseres Gefängnisses. Draußen über der Erde erwachten die Bewohner der Burg, und wir hörten das Geschrei von Säuglingen und das Blöken der Tiere. Als die Sonne höher stieg, kamen zwei Männer zum Rand der Grube und schlugen gegen die Klappe. Bei diesem Geräusch erhob sich der sächsische Kriegsknecht und schob die Wasserschale unter eine der Gitteröffnungen. Sogleich wurde von oben ein Schwall Wasser herabgegossen, füllte das Gefäß und benetzte den umliegenden Boden.
    Kaum war das geschehen, als die Dänen unter Eriks Führung zum Angriff übergingen. Da sie zu fünft waren und der Hauptmann allein Kraft für drei besaß, ließen wir ihnen den Vortritt. Glücklicherweise schien ihnen das Brunnenwasser weniger zu munden als der gewohnte Honigmet, so dass am Ende auch Hartmann, die beiden Sachsen und ich zum Zuge kamen.
    Kurz darauf regneten auch ein paar Nahrungsreste durch das Gitter herab, hauptsächlich Schlachtabfälle und ein wenig Gemüse. Sogleich warfen sich sämtliche Gefangenen zu Boden und krochen umher, um die Brocken aufzulesen – wobei die Dänen wiederum den größten Anteil erbeuteten. Hartmann, die beiden Sachsen und ich hielten uns notgedrungen an die Reste, wobei wir uns zur Sicherheit eng zusammenscharten, genauso wie die Dänen auf der anderen Seite des Kerkers.
    „Wir werden noch verhungern“, sagte der sächsische Kriegsknecht, während er einen Hammelknochen benagte. „Bevor Ihr gekommen seid, war es wenigstens ruhig hier, und wir hatten genug zu essen. Wer sind diese Kerle überhaupt, und was habt Ihr mit ihnen zu schaffen?“
    „Nichts“, sagte Hartmann. „Sie sind Dänen, und es ist nur ein Zufall, dass wir gemeinsam mit ihnen gefangen wurden.“
    „Dann sind die Dänen also doch gekommen!“, bemerkte der Kriegsknecht erstaunt.
    „Das weißt du nicht?“
    „Woher denn? Ich sitze seit Wochen in diesem Verlies und habe keine Ahnung, was draußen vor sich geht. Hoffentlich trägt die Ankunft der Dänen dazu bei, dass dieser verfluchte Krieg bald zu Ende ist.“ Er blickte zu Erik und seinen Männern hinüber. „Allerdings … wenn ich mir diese Kerle so ansehe, habe ich meine Zweifel.“
    Resigniert pflichtete Hartmann ihm bei.
    „Ich bin übrigens Walfried“, stellte der redselige Kriegsknecht sich vor. „Und das ist Humbert.“ Er deutete auf seinen Kameraden, der sich lediglich zu einem schwachen Nicken überwand. „Euer Stand würde wohl erfordern, dass ich mich vor Euch verbeuge – aber unter den gegenwärtigen Umständen …“ Er grinste schief und deutete auf sein verletztes Bein.
    „Vergessen wir die Standesunterschiede“, sagte mein Herr. „Ich bin Hartmann von Aslingen, fahrender Ritter im Dienst des Herzogs. Wem dienst du?“
    „Dem Präfekten von Bardenvik“, antwortete Walfried. Er deutete auf mich. „Euer Knappe?“
    Ich wollte mich eben vorstellen, als wir unterbrochen wurden. Eine schmale Hand griff durch die Gitterstäbe über uns und winkte.
    „Lana!“
    Ich sprang auf, reckte mich, so hoch ich konnte, und ergriff mit beiden Händen die Gitterstäbe. Lana kniete am Rand der Grube und beugte sich zu mir herab.
    „Es tut mir so leid“, sagte sie. „Ich habe ihnen alles erzählt, aber Niklot,

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