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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Er ist ein Mönch mit den heiligen Gelübden, und er wird es bleiben. Bis zu seinem Tod. Und jeder andere Gedanke ist Frevel.“
    „Aber… aber wie soll ich…“
    „Bete, und kämpfe gegen das Lächeln des Versuchers an. Das ist alles, was ich dir sagen kann.“
    Mit diesen Worten Verlies er sie, um die heutige Sitzung der Kommission vorzubereiten. Täglich trafen neue Aktenberge aus diversen Bistümern der ganzen Christenheit ein; es war eine kaum zu bewältigende Arbeit.
    Ghislaine machte sich auf den Weg in die Kapelle, setzte wie betäubt mechanisch einen Fuß vor den anderen. Die schmale Treppe nach oben, die Tür aufstoßen, eintreten – es kam ihr vor, als würde sie eine fremde Person beobachten. Die Stimme ihres Onkels hallte noch immer in ihr nach, jagte sie geradezu. Mit unerbittlicher Gewalt wurde ihr klar, dass Erzbischof Gregor Recht hatte! Und dass all ihr Tun, all IHRE Gebete für den Erfolg seiner Anstrengungen Jocelin weiter von ihr entfernten. Aber… sollte sie deshalb lieber darum flehen, dass sie KEINEN Erfolg hatten, dass der Papst den Orden endgültig verdammte?! Ghislaine fiel vor der Statue der Heiligen Jungfrau auf die Knie und schlug die Hände vors Gesicht. Es gelang ihr nicht, die Tränen zurückzuhalten. Und es gelang ihr nicht, irgendein Wort des Flehens an die himmlischen Mächte zu richten. Worum sollte sie auch bitten? Jocelins Glück oder das ihre? Es waren zwei Welten, die ein unüberwindlicher Abgrund trennte.
    Als sie sich mit schmerzenden Gliedern erhob, klang bereits das Mittagsläuten durch die Mauern der Kapelle. Sie strebte dem Ausgang zu – und sah sich unvermittelt Jocelin gegenüber. Für einen Moment war sie nicht sicher, ob sie ein Trugbild narrte, oder er es tatsächlich war. Er stand unbeweglich, starrte sie genauso ungläubig wie eine Erscheinung an.
    Es war der Augenblick, vor dem er sich all die Monate gefürchtet hatte!
    „Ghislaine…“ flüsterte er mit belegter Stimme. „Ihr solltet nicht… nicht hier sein…“ Er berührte zögernd ihr Gesicht, auf dem noch die Spuren der Tränen zu sehen waren.
    Ihre Hand schnellte nach oben. Mit einer raschen Bewegung umschloss sie die seine. „Ich bin hier, um für Euch zu beten. Jocelin, wenn … das alles vorbei ist, wenn Ihr zurück seid, auf Eurer Komturei…“ Sie schüttelte den Kopf und suchte nach einem neuen Anfang. „Behaltet mich im Gedenken!“
    „Das werde ich tun. Bis ans Ende meines Lebens, Ghislaine.“
    Sie ließ ihn los, zog stattdessen ihr Schmuckkreuz vom Hals und schlang die Kette um Jocelins Handgelenk. „Es ist ein Splitter vom Wahren Kreuz darin. Es soll Euch Segen bringen!“ Dann lief sie an ihm vorbei ohne ein weiteres Wort, hinaus aus der Kapelle.
    Er blickte ihr nach und wiederholte tonlos: „Bis ans Ende meines Lebens…“  
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    Prächtig war der Einzug des neuen Erzbischofs in seine Stadt. In einer endlos scheinenden Prozession von Mönchen und Chorherren mit ihren Heiligenfahnen, Priestern und Diakonen, Akolythen mit großen Kerzen, ritt Philipp de Marigny zur Kathedrale von Sens.
    Er trug ein Gewand, das dem Papst würdig gewesen wäre. Fünfzig Gardisten folgten ihm, alle in purpurfarbene Mäntel mit dem Wappen der Marignys gekleidet. Zwei eigens hiermit beauftragte Diener warfen Münzen unter die jubelnde Volksmenge.
    Philipp hatte beeindrucken wollen, und das war ihm gelungen. Seine erste feierliche Messe in der festlich geschmückten Kathedrale stand dem Einzug in nichts nach. Altem Brauch gemäß sollte der neue Erzbischof anschließend seine Suffragane und das Kathedralkapitel empfangen. Doch Philipp de Marigny stand nicht der Sinn danach. „Eure altehrwürdige Tradition interessiert mich nicht!“ erklärte er kurz und ließ sich mit einem Seufzer in den Lehnstuhl fallen. „Ich bin vier Tage von Avignon geritten!“
    „Aber, Ehrwürdigster Vater, die Bischöfe erwarten Euch-“ wandte der Kammerdiener vorsichtig ein.
    „Ich bin der Erzbischof, und spreche mit meinen Suffraganen, wenn ich es will!“ Philipp de Marigny nahm die rote Kappe von seiner Tonsur. „Ich sage Euch, was Ihr für mich tun könnt: bringt mir ein Weib!“
    Der Kammerdiener starrte ihn mit offenem Mund an.
    „Nun, was ist? Schließlich musste ich all meine Freuden in Cambrai verlassen, um hier die Herde Christi zu weiden! Also geht! Es wird sich doch wohl ein Mädchen finden, das den neuen Erzbischof begrüßen will!“
    „Mes frères“, Jocelins Stimme klang düster durch das

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