Die Tränen des Herren (German Edition)
des Tages.
Keiner der Anwesenden würde wohl in der folgenden Nacht ein Auge schließen...
Die Verbrennung der Zeugen war weit mehr als eine grausame Tat Philipp de Marignys. Sie
stellte die Verteidigung des Ordens in Frage und gefährdete damit das monatelange Bemühen der Großen Kommission. Letztlich war sie ein Angriff des Königs auf den Papst, doch dies sagte Gregor von Rouen allein zu sich selbst.
Am Morgen las er die hastigste Messe seines Lebens. Dann diktierte er zwei Protestbriefe
an Philipp von Sens und den Papst, bevor er sich in den Sitzungssaal begab. Dort stellte er fest, dass sich die anderen Prälaten mit eilig erfundenen Ausreden beurlaubt hatten.
Nur die verbliebenen Prokuratoren der Templer waren anwesend. „Ehrwürdigster Vater, Bruder Arnaud und ich, wir haben entschieden, unsere Verteidigung fortzuführen“, begann Pietro di Bologna. Er sah bleich und übernächtig aus, aber sehr entschlossen. „Ich bitte Euch, dass wir Gelegenheit erhalten-“
In diesem Moment meldete sich ein Bote des Erzbischofs von Sens im Palais. Wenig später überreichte er ein versiegeltes Schreiben.
„Das feierliche Siegel!“ dachte Erzbischof Gregor und zerbrach das Abbild des Doppelkreuzes von Sens. „Dieser eitle Jüngling!“ Während er las, wuchs seine Empörung.
Philipp de Marigny ging mit keinem Wort auf seinen Protestbrief ein, ja nicht einmal die angedrohte Exkommunikation schien ihn zu beeindrucken! Er wagte es sogar, eine neue Forderung auszusprechen!
Gregor von Rouen zitierte laut: “Da Wir das Verfahren gegen die einzelnen Personen des Templerordens ohne weiteres Säumen voranbringen wollen, wie es Unsere Pflicht ist, verlangen Wir die sofortige Überstellung des Bruders Pietro di Bologna zum Verhör.”
Der Erzbischof von Rouen wusste, was das hieß. Pietro di Bologna hatte gestanden und dann widerrufen... Er war einer der wichtigsten Verteidiger...
Er sah den Templer an und merkte, dass auch jener sich über die Bedeutung der Forderung im Klaren war. Erzbischof Gregor gab dem Schreiber ein Zeichen, das Diktat aufzunehmen und begann: „Wir... haben Verständnis für die Bemühungen Seiner Ehrwürden Philipp…“
Heilige Muttergottes, nein! Er hatte nicht das MINDESTE Verständnis! Aber es galt den matten Schein zu wahren, um sich nicht selbst um Kopf und Kragen zu bringen! „Aber Bruder Pietro di Bologna ist unentbehrlich für die Arbeit Unserer Kommission. Wir bitten daher, bis auf weiteres von seiner Vernehmung abzusehen...”
Mit deutlichen Missfallen wartete Marignys Bote die Ausfertigung des Antwortbriefes ab. Er hatte fest angenommen, dass der Zeuge sofort überstellt werde. Mit einem knappen Gruß stolzierte er schließlich hinaus.
„O Jesus Christus!“ murmelte Pietro di Bologna, als die Kapellenpforte wieder geschlossen war. „Ich habe geahnt, dass Philipp de Marigny sich noch nicht zufrieden geben wird, aber dass es so bald schon geschieht...“
Unvermittelt stand Erzbischof Gregor auf und trat hinunter zu den Ordensbrüdern.
„Ich spreche jetzt nicht als Vorsitzender der Kommission zu Euch“, sagte er an Pietro di Bologna gewandt. „Stünde es in meiner Macht, ließe ich Euch niemals an Marigny übergeben, glaubt mir. Aber das Recht ist auf seiner Seite. Wenn er darauf besteht, Euch zu vernehmen, kann ich ihn nicht daran hindern. Und alle Schutzbriefe, die ich Euch ausstelle, werden ihm nichts gelten. Es tut mir leid.“
Isnard de Montreal und Pietro di Bologna wollten wenigstens ihre Ordensbrüder in den Gefängnissen aufsuchen, aber Erzbischof Gregor hielt es für ratsamer, dass die Templer das Palais nicht verließen. Und so vergingen weitere quälende Stunden im Ungewissen um Jocelins Schicksal. Gegen Mittag erreichte die Wartenden eine schreckliche Nachricht:
„Erzbischof Philipp lässt es überall verkünden: Der Komtur der freien Templer sei tot.“
Bruder Arnaud öffnete den Mund zu einem tonlosen Schrei. „Wie ist es geschehen?“ brachte er mühsam hervor.
„Er verübte einen Anschlag auf Erzbischof de Marigny, heißt es, und dabei sei er getötet worden. Aber die Leute sagen, ein Söldner habe ihm die Lanze in den Rücken gestoßen, als er schon am Boden lag. Der Erzbischof befahl, seinen Leichnam sofort ins Feuer zu werfen .“
Arnaud fiel auf die Knie. „Meine Schuld… meine Schuld…“ murmelte er nur immer wieder, „…ich habe ihn auf dem Weg des Todes geführt… ich …“
In diesem Augenblick hasste Gregor von Rouen seine
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