Die Tränen des Herren (German Edition)
unterirdische Gewölbe der Katakomben, “die Kommission hat Euer Ersuchen auf Widerruf endgültig abgewiesen, nun, da Sens einen neuen Metropoliten hat.“
„Marigny!“ stieß ein Servient hervor, dem die Gerüchte über den ehemaligen Bischof von Cambrai gut bekannt waren. „Den hat nur eines für dieses Amt empfohlen: das Kriechen vor dem König!“
„Aber er kann uns doch nichts anhaben“, warf ein anderer halb fragend ein. „Wir sind doch alle als Zeugen der Großen Kommission eingetragen! Da stehen wir doch unter ihrem Schutz!“
Jocelin erwiderte nichts. Philipp de Marigny hatte bisher nichts Eiligeres zu tun gehabt, als seine eigene Provinzialkommission von Sens nach Paris zu verlegen. Er residierte im Louvre, und das allein war genug, Misstrauen zu wecken. Auf die Unterstützung des Königs bauend schien er bereit, seine Ansprüche kompromisslos durchzusetzen.
„Ich werde trotzdem widerrufen“, brach Kaplan Helias das Schweigen. „Morgen melde ich mich vor Erzbischof Philipp.”
Die anderen Rekonziliarisierten schlossen sich ihm an. Jocelin hatte erwartet, dass sie so entscheiden würden, aber nun fühlte er Beklemmung in sich aufsteigen. Wenn doch nur endlich erlaubt würde, dass seine Brüder vor der Großen Kommission, vor Erzbischof Gregor, widerriefen! Aber noch waren nach kirchlichem Recht die Provinzialkommissionen für die einzelnen Brüder zuständig. Die bürokratischen Hürden oder die Angst der einzelnen Kommissionsmitglieder, zu sehr mit dem König aneinander zu geraten, schienen unüberwindbar!
Die Kommissionsmitglieder waren vollständig versammelt an diesem Morgen.
„Verehrte Herren Kommissare, wir haben Euch die Beweise vorgelegt, dass die Anklagen gegen unseren Orden nichts als Lügen sind.” begann Bruder Arnaud. „Ihr wisst, dass die Templer immer treue Söhne der Heiligen Kirche waren, und dass sie es auch jetzt noch sind! Ich bitte Euch, veranlasst, dass die Brüder wieder die Heilige Messe hören dürfen, die Sakramente erhalten und --“
Die Pforte der Kapelle wurde aufgerissen. Atemlos stürzte ein Notar zu den Kommissaren.
„Er …will… sie… sie verbrennen!“
„Mann, erkläre dich!” fuhr Mathäus de Napoli auf.
„Die Templer! 55! Erzbischof Philipp!”
„Was?!“ Voller Entsetzen packte Jocelin den Notar am Arm. „Philipp von Sens?!“
„Die Scheiterhaufen sind schon aufgerichtet!”
Pietro di Bologna klammerte sich schreckensstarr an die Zeugenschranke.
„Meine Brüder...“ flüsterte Jocelin. Gestern waren Kaplan Helias und so viele andere aus Provins zu Erzbischof Philipp gezogen, um zu widerrufen! Er sprang auf, rannte zur Pforte. „Bringt mein Pferd!“
„Jocelin! Um Gottes willen, was habt Ihr vor?“
Aber Jocelin hörte weder die Rufe seiner Ordensbrüder, noch der Kommissare.
„Mein Pferd! Beeilt Euch! - Aus dem Weg!”
Mit einer heftigen Bewegung befreite er sich aus dem Griff des Komturs von Carcassonne und schwang sich in den Sattel.
Es war schnell gegangen.
Manche der Templer vermochten noch immer nicht zu fassen, was das Urteil des Erzbischofs bedeutete. Gebannt blickten sie auf die 27 Holzpfähle, um die Knechte immer neue Reisigbündel anhäuften. Kaplan Helias hob den Arm, schlug drei große Kreuze über die Köpfe der auf ihr Ende Wartenden.
„Kostbar ist in den Augen des Herrn das Sterben seiner Heiligen, denkt daran, Brüder!“
„Vorwärts, los!“ befahlen die Söldner und stießen nach denen, die nicht schnell genug waren. Ein junger Bruder aus Paris brach weinend zusammen. Ein anderer Templer zog ihn hoch, ehe der Söldner an der Seite ihn packen konnte.
„Kommt, habt Mut!“ sprach er ihm zu. „Ihr wolltet widerrufen; Euer Tod wird der lauteste Widerruf sein!“
Der Kaplan stimmte den Totenhymnus an, und die anderen fielen ein, lauter und kräftiger, je näher sie ihrem Richtplatz kamen.
Erzbischof Philipp wandte sich zu dem hinter ihm auf der Tribüne sitzenden Siegelbewahrer um.
„Nun, mein lieber Guillaume, ist dies ein Schauspiel nach Eurem Geschmack?“
Nogaret ließ den Blick von der Tribüne über die Volksmenge wandern, die sich an den Balustraden drängte. Hinrichtungen waren immer eine willkommene Abwechslung... Henkersknechte hatten begonnen, die Templer an die Pfähle zu binden, immer zu zweien, “weil sie die widerliche Sünde getrieben haben“, lautete der Befehl des Erzbischofs.
„Passt auf, dass Euch der Wind den Rauch der Feuer nicht ins Gesicht bläst!“ erwiderte Guillaume
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