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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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de Nogaret beißend. Dieser Tag hätte sein Triumph sein sollen! Der Tag, an dem er der gepeinigten Seele seines Großvaters endlich den Frieden bescherte! Er hätte die Verteidigung der Templer vernichten sollen! Aber er hatte versagt! Nun war ihm nur noch vergönnt, sich am Triumph eines anderen zu weiden!
    „Oh, Ihr missgönnt mir die kleine Freude, Messire Guillaume?! Ihr seid ein verknöcherter Spielverderber....”
    „Hört!“ brummte Nogaret nur.
    Der Gesang der Ordensbrüder schallte bis hinauf zur Tribüne. Erzbischof Philipp winkte dem Henker. „Bring‘ sie zum Schweigen! Mach‘ gefälligst schnell!“
    Bald züngelten die ersten Flammen durch die Reisigbündel. Kaplan Helias spürte das Zittern des jungen Bruders, den man mit ihm an den Pfahl gebunden hatte.
    „Bald ist es vorüber...“ suchte er ihn zu bestärken. „Noch einige Schmerzen, und Ihr werdet die ewige Freude haben...“
    Der Qualm wurde dichter, dörrte die Kehlen aus. Keuchend sprach Helias weiter: “Bald wird der Tod uns befreien... der Tod, unser Lohn... Christus wird uns vergelten... was wir für ihn... erleiden!“
    In diesem Moment teilte ein Windstoß den Rauchvorhang. Helias sah die Menge der Zuschauer und schrie mit letzter Kraft: “Wir sterben unschuldig! Gott ist unser Zeuge!“
    Jocelin trieb sein Pferd durch die erschrocken zurückweichenden Menschen. Seine Augen erfassten die aufschlagenden Flammen, die gierig nach ihren Opfern griffen, sie einhüllten und verzehrten. Und er erkannte einige der Gesichter in der Feuerglut.
    Wie die Flammen der Scheiterhaufen loderte Hass in Jocelin auf, verzehrender, wilder Hass, der alle anderen Gefühle und Gedanken in ihm auslöschte, der alle Barrieren und allen Verstand zermalmte.
    „Marigny!“ schrie er und spornte sein Pferd zu einem kühnen Sprung über die Balustrade an. “Marigny, Nogaret, ihr Mörder! Ich bringe euch um! Heute landet ihr in der HÖLLE!!!“
    Er stürzte sich auf die Leute des Königs ohne einen Gedanken an sein eigenes Leben. Heute, bei seinen Brüdern wollte er sterben - und Erzbischof Philipp mit ihm! Wie ein Besessener kämpfte er gegen die Mauer aus Schwertern und Lanzen, die ihn von der Tribüne trennte. Er achtete nicht auf die Wunden, die er empfing. Sein Pferd brach unter ihm zusammen. Ein Hieb traf ihn am Kopf, Blut lief ihm über das Gesicht. Halb blind focht er weiter. Fast hatte er die Tribüne erreicht, von der Philipp de Marigny und Nogaret längst geflohen waren. Er stach einen Gegner nieder, dann streckte ihn ein Lanzenstoß zu Boden. Er spürte die Hitze der Flammen über sich und verlor das Bewusstsein.
    Die Hinrichtung der Templer löste einen Aufruhr in Paris aus. Steine und fauliges Gemüse flogen, Stadtbüttel wurden angegriffen, und allenthalben klangen spitzzüngige Spottverse auf den König und diverse Mitglieder des Hofes. Der Bote der Großen Kommission war froh, als er nach seinem Ausflug in den Louvre, wo Marigny derzeit logierte, das Bischofspalais wieder erreichte. Gregor von Rouen hatte die Wachen am Tor und in der Kapelle, wo die Kommissare und die restlichen Prokuratoren voller Unruhe die Ereignisse abwarteten, verstärken lassen. Gespannt erhob sich der Erzbischof beim Eintritt seines Kundschafters. Der Mann verneigte sich, während Bewaffnete die Pforte wieder verriegelten.
    „Die Templer sind verbrannt worden, Ehrwürdiger Vater“, berichtete er sichtlich bestürzt von dem Geschehenen.
    „Mit welchem Recht?“ rief Pietro di Bologna anklagend. Erzbischof Gregor gebot ihm Zurückhaltung und wandte sich selbst an seinen Boten.
    „Wie begründet Seine Ehrwürden Philipp diesen Gewaltakt, der auf unerhörte Weise in Unsere Kommission eingreift?“
    „Diese Templer hätten ihre Verbrechen und die des Ordens erst gestanden, und sich dann zur Verteidigung gemeldet, also seien sie als rückfällige Ketzer zu betrachten“, wiederholte der Bote die Argumentation des Erzbischofs. „Der Papst habe ihm die Gewalt gegeben, über die einzelnen Personen des Ordens, die seiner Metropolie angehören, das Urteil zu sprechen gemäß dem kanonischen Recht. Und das kanonische Recht sieht für Rückfällige den Feuertod vor.“
    „Und die Prokuratoren? Was ist mit den anderen Prokuratoren? Wo ist Komtur Jocelin?“
    „Beruhigt Euch, Brüder, beruhigt Euch!“ bat Erzbischof Gregor. „Heute kann ich nichts mehr unternehmen, wir müssen bis morgen warten.“
    Mit einem Seufzer drückte er sein Siegel unter den letzten Protokollvermerk

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