Die Tränen des Herren (German Edition)
Erzbischofsstuhl!“
Marigny zuckte mit den Schultern. “Seine Majestät zahlt für den Templer, oder er bleibt, wo er ist. - Ich könnte ihn natürlich auch selbst befragen lassen, fällt mir dabei ein... oder ihn an den Papst überstellen…”
„Ihr solltet daran denken, dass auch der Thron eines Erzbischofs nicht für die Ewigkeit gegründet ist!”
„Oho, mein lieber Guillaume, Ihr wollt doch nicht etwa ein Attentat auf mich verüben, wie auf Papst Bonifatius?” Marigny lehnte sich zurück, gähnte und fuhr dann wie beiläufig fort: “Ich frage mich, was Seine Majestät dazu sagen würde, dass der Großvater seines geschätzten Siegelbewahrers der üblen Häresie der Katharer anhing und als Ketzer verbrannt worden ist.”
„Woher-” stieß Nogaret hervor und biss sich auf die Lippen, als er merkte, dass er schon zuviel gesagt hatte.
Philipp de Marigny lächelte.
„Woher ich das weiß? Nun, sagen wir, der Heilige Geist hat es mir zugeflüstert.”
Guillaume de Nogaret überlief es kalt und zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass genau das, was seinen Aufstieg am Hofe des Königs herbeigeführt hatte, auch seinen Untergang herbeiführen konnte: die Bigotterie Seiner Majestät. Der König hatte einen Mann gebraucht, der ihm bei der Vernichtung der Templer half, einen skrupellosen, bedingungslos ergebenen Mann, der sich vor schmutzigen Händen nicht scheute und der es ihm ermöglichte, seinen Heiligenschein zu wahren. Aber wenn das Werk getan war, oder wenn er versagte...
Erzbischof de Marigny lächelte noch immer.
„Es scheint Euch nicht ganz wohl zu sein, Messire Guillaume.” sagte er nun in unschuldigstem Ton. „Vielleicht geht Ihr Euch ein wenig ausruhen?”
Nogaret musste sich zu einer Antwort überwinden.
„Ihr habt Recht. Die Pilze heute Mittag waren etwas schwer.”
„Dann wünsche ich Euch gute Besserung. Lebt wohl, Messire Guillaume. Meinen Segen kann ich Euch ja leider nicht erteilen. Eure Exkommunikation, Ihr versteht?”
Der Siegelbewahrer presste die Lippen zusammen, verneigte sich kurz und schritt zur Kirchenpforte.
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Jocelin erwachte von der eisigen Kälte, die ihn umfing. Einen Atemzug später spürte er auch die Schmerzen im Bein, im Kopf, den Armen. Seine Wange berührte feuchten Stein. „Ich lebe“, dachte er.
Nur mit Mühe gelang es ihm, dass linke Auge einen Spalt weit zu öffnen. Er hob den Kopf. Rasende Schmerzen durchfuhren ihn. Ihm wurde übel, und er verlor erneut das Bewusstsein. Der Klang einer Stimme rief ihn zurück.
„Sire Jocelin?“
Er versuchte, sich aufzurichten und merkte, dass er in Ketten lag. Gefangen! Eine Hand fasste vorsichtig unter seinen Kopf.
„Wer...?“ krächzte Jocelin.
„Komtur Robert von Paris.“
Er tauchte den Zipfel seines Mantels in die Wasserschale und tupfte über das blutverklebte Gesicht seines Ordensbruders.
„Wo sind wir?“
„Im Verlies des Bischofspalais.“
Mit dem wiederkehrenden Bewusstsein kam Jocelin die Erinnerung an das, was geschehen war. Die Scheiterhaufen, der Kampf... Und ihn hatten sie am Leben gelassen... Warum? Warum? Im selben Augenblick, da die Frage in ihm auftauchte, kannte Jocelin die Antwort. Bevor er zugrunde ging, sollte er reden! Solange noch ein Funken Leben in ihm war, würden die Folterknechte ihn peinigen! Er stieß einen verzweifelten Schrei aus und warf sich gegen die Mauer.
„Mon frère, was tut Ihr?!“
Komtur Robert packte ihn an den Schultern.
„Ich will sterben! Helft mir doch!“ Ihm schwindelte. Erschöpft sank er zusammen. Er tastete nach dem Kreuz um seinen Hals, Ghislaines Kreuz, um es abzureißen, aber dazu fehlte ihm die Kraft.
„Ihr habt Schmerzen und wisst nicht, was Ihr sagt!“ meinte Robert erschrocken und schlug seinen Mantel um Jocelin.
„Doch... tötet mich! Tut mir diesen letzten Dienst als Bruder! Ich habe... nichts mehr... zu erwarten!“
„Schweigt, schweigt!“ Behutsam bettete ihn Robert in seinen Schoß. „Ihr sündigt gegen Gott!“
„Gott?“ flüsterte Jocelin kaum hörbar, aber Komtur Robert vernahm die ganze Qual seines Ordensbruders in diesem Wort.
„Gott ist TOT! Gekreuzigt vor Jahrhunderten! Und jetzt... regiert der SATAN!“
Eilig hatte sich Marigny in die für ihn hergerichteten Gemächer des Louvre begeben. Er wollte sich noch umkleiden. Bereits zweimal war der Erzbischof in den vergangenen Tagen bei einer jungen Schustersfrau gewesen. Sie war ein äußerst lebenshungriges und geldgieriges Geschöpf, und es hatte ihn
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