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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Pferdes seines Pflegevaters. „Verbrechen? Wovon redet Ihr, Arnaud?“
    Der alte Ordensbruder senkte den Kopf und murmelte dann: „Guy, geh zurück zu den anderen! Ich lasse dich rufen, wenn ich soweit bin!“
    „Ja, Messire.“ Der ehemalige Landarbeiter aus Etampes schwenkte sein Reittier herum und führte es langsam zurück bis zum Eingang der Höhle.
    Arnaud stieg ab und hielt den Arm fest, den sein junger Bruder ihm reichte und fuhr beschwörend fort:
    „Lass mich gehen, im Namen Christi! Es ist meine Pflicht, ich bin der Adjutant des Meisters! Und wenn man mich tötet, so ist es die Buße, vor der ich mich all die Jahre feige versteckt habe! Ich habe gesündigt, Jocelin, schwer gesündigt! Ich habe die Regel unseres Ordens gebrochen und die Gebote Gottes! Und… ich muss endlich dafür bezahlen!“
    „Wir alle haben gegen die Regeln verstoßen in den letzten Jahren!“
    „Nein… nein, du verstehst nicht… Nicht jetzt, Jocelin! Damals!“ Er scheute zurück, ein letztes Mal, aber diesmal war er bereits zu weit gegangen, um den angstvollen Stimmen in seinem Innern zu gehorchen. „Du erinnerst dich, wie ich dir von deinem Vater erzählt habe? Dass er bei einem Angriff der Sarazenen auf sein Haus verbrannte, gemeinsam mit deiner Mutter?“
    „Ja“, entgegnete Jocelin verständnislos. Was hatte das plötzlich mit Arnauds Vorhaben, nach Vienne zu ziehen, zu tun?!
    „Nun… das… war eine Lüge“, sagte der alte Ordensbruder jetzt. „Der Herr der Seigneurie von Judäa wurde nicht von Sarazenen erschlagen, er wurde von einem Templer ermordet. In einem Handgemenge … wegen deiner Mutter. Und … er war keineswegs dein Vater.“
    „Aber…“
    Arnaud ließ ihn den Satz nicht beenden. „ICH bin dein Vater, Jocelin“, flüsterte er, während sich seine Hände um die Schultern seines Ordensbruders klammerten. „Deine Mutter war über zwei Jahre meine Geliebte! Ich habe sie ins Verderben gebracht damit! Und als ihr Gemahl uns eines Tages aufspürte, habe ich ihn getötet. Ich habe gelogen und Meineide geschworen, um dir eine Karriere im Orden zu bahnen… und dabei… dabei habe ich dein Leben ebenso zerstört wie das von Catrina, deiner Mutter…“
    Einen Moment lang war Jocelin zu geschockt um zu sprechen. Dann aber nahm er Arnauds Schluchzen wahr und schloss die Arme um ihn, zögernd erst, dann fester.
    „Ich habe den Weg nie bereut, den Ihr mich geführt habt“, sagte er. „Alles, was ich bin, was ich kann, habe ich Euch zu verdanken! Nein, Ihr geht nicht nach Vienne! Nicht allein! Wir alle werden vor das Konzil treten, alle, die in Freiheit sind! Wir sind es unseren ermordeten Brüdern schuldig, für die Wahrheit einzutreten! Und wenn wir sterben, Arnaud, dann gemeinsam!“
    „Jocelin, du weißt, dass deine Gelübde nicht gültig sind? Dass du ein freier Mann bist?“
    „Wir gehen vor das Konzil“, wiederholte er nur. „Ich sage den anderen Bescheid!“
    Noch in derselben Nacht begannen die Ordensbrüder ihren Weg nach Vienne zu planen. Wer noch sein Ordensgewand besaß, machte sich eifrig daran, es zu säubern und zu flicken- es galt schließlich, in die letzte Schlacht zu ziehen! Boten wurden ausgeschickt, um die übrigen freien Templer zu benachrichtigen und zusammenzurufen. Nicht nur jene von den alten Gefährten aus Etampes, Provins und der Auvergne, sondern auch jene, mit denen man in den letzten Monaten Kontakte geknüpft hatte. Geflohene, Rekonziliarisierte und Freigelassene, der Jagd Entkommene von jenseits der Grenzen. Während der letzten Jahre hatte sich ein effizientes Netzwerk gebildet, mit geheimen Zeichen zur Verständigung, Schlupfwinkeln und Hilfs-Seilschaften bis hinunter nach Spanien. Ein wenig war es wie einst in Palästina, in den von den Ungläubigen besetzten Gebieten. Nur dass sie sich heute im Territorium Seiner Allerchristlichsten Majestät befanden…
    Guillaume de Nogaret beobachtete jede Regung des Vorkosters. Die Speisen, die man aufgetragen hatte, schienen in Ordnung zu sein. Aber der Siegelbewahrer wusste, dass es heimtückische Gifte gab, und so würde er dennoch mit Unbehagen essen. Er hatte Angst, Philipp de Marigny würde versuchen, ihn zu vergiften. Er war überzeugt, dass der Erzbischof von Sens gegen ihn intrigierte. Hinter jedem noch so unbedeutenden Ereignis meinte er dessen Betreiben zu entdecken. Und jetzt, wo König Philipp nach der Befreiung des Templers gegen jeden am Hofe misstrauisch war, mochte er die Gunst der Stunde für sich nutzen!
    Zu

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