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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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einen rechtmäßigen Prozess, wie er uns nach Euren Privilegien zusteht! Wir sind nicht die Einzigen, die für die Unschuld unseres Ordens bereit sind zu sprechen! Noch viele andere Brüder warten -”
    „Sie wollen das Konzil überfallen!“ rief einer der königlichen Parteigänger und sprang in Panik auf. „Sie wollen das Konzil überfallen, sie haben sich zusammengerottet! Hört doch! Heiliger Vater, Ihr müsst handeln!“
    Es war der Vorwand, den Papst Clemens brauchte. Verzweifelt griff er danach. „Verhaftet diese Männer!“ befahl er mit einem Wink zu den Wachposten. Jean de Saint-Florent zog sein Schwert, ein anderer tat es ihm nach.
    „Die Waffen weg!“ schrie Jocelin sie an und warf er sich vor dem Papst nieder. Er wollte nicht glauben, dass Clemens sie wieder verriet!
    „Heiliger Vater, hört uns an! Bei der Liebe Christi-“
    Drei Söldner stürzten sich auf ihn, zerrissen seine Tunika, während sie ihn fortzerrten.
    „Clemens, Ihr kreuzigt Christus noch einmal!!!“
    Noch lange schien der Schrei durch die Kathedrale zu hallen, als werde er von den Statuen an den Säulen und den Fratzen auf den Kapitellen wiederholt.
    Ghislaine schritt unruhig im Kreuzgang der Kathedrale von Vienne auf und ab. Sie wartete auf  Gregor von Rouen. Am Morgen, als die Templer beunruhigt über das Ausbleiben ihrer Ordensbrüder einen Kundschafter in die Stadt schicken wollten, hatte sie sich erboten, zu ihrem Onkel zu gehen. Endlich erschien der Erzbischof.
    Seine sorgenvolle Miene erhellte sich etwas, als er die Besucherin in der Tracht einfacher Landfrauen erkannte. „Ghislaine, mein Kind! Ich bin so froh, dich gesund zu sehen nach allem, was geschehen ist!“ Die näheren Umstände wagte er kaum anzusprechen. „Du bist hier wegen Yvo, nicht wahr? Wo ist der kleine Tunichtgut? Was für Sorgen macht er dir nur immer...“
    „Yvo ist bei - bei guten Freunden“, antwortete sie im letzten Moment ausweichend. „Sorgen? Ja, aber trotzdem bin ich stolzer auf ihn jetzt als zu der Zeit, als er Knappe am Königshof war. Gott vergebe mir!“
    Gregor von Rouen seufzte. „Ich kann nichts für den Jungen tun, Ghislaine. Schon deshalb nicht, weil ich selbst keine sonderlich gern gesehene Person mehr am Hof bin. Mit Philipp de Marigny als bösem Geist am Ohr Seiner Majestät zählt das Wort jedes Bänkelsängers mehr als das meinige.“
    „Es geht mir nicht um Yvo, Vater Gregor!“ Allen Mut zusammennehmend sprach sie weiter: „Gestern sind neun Brüder des Templerordens vor das Konzil gegangen. Ist Euch bekannt, was mit ihnen geschehen ist?“
    „Meine Tochter!“ murmelte der Erzbischof erschrocken. Unwillkürlich sah er sich um, ob irgendwer die Worte hatte hören können.
    „Ich war nicht anwesend bei dieser Sitzung“, flüsterte er dann. „Soviel ich weiß, hat man die Templer verhaftet, weil sie drohten, das Konzil zu überfallen.“
    „Das ist nicht wahr! Das kann nicht wahr sein! Jocelin war bei ihnen! Nie würde er so etwas zulassen!“
    „Jocelin?! Er ist am Leben?! Der Bischof von Mende redete wirres Zeug von einer Auferweckung der Toten und Dämonen - jetzt begreife ich! War er es, den Yvo  befreit hat?“ Die Stimme des Erzbischofs hatte sich zu einem kaum noch hörbaren Hauch gesenkt.
    „Ja“, antwortete Ghislaine ebenso leise und ergriff die Hände ihres Onkels. „Fast umgebracht hatte ihn der König! Und jetzt ist er wieder im Kerker? Das dürft Ihr nicht zulassen! Ihr müsst uns helfen!”
    Der Erzbischof legte ihr beruhigend die Hand auf den Kopf. „Ghislaine, höre mir zu: Ich will für Jocelin und seine Ordensbrüder tun, was ich kann. Aber das ist nicht so leicht, wie du vielleicht glaubst! König Philipp ist mit einem Heer nach Lyon unterwegs. Gewiss denkt keiner der Konzilsväter, ein Häuflein Templer könnte dem Konzil gefährlich werden, aber sehr wohl kann das König Philipp, wenn wir ihm nicht willfährig genug sind.”
    Der Kerkermeister drehte die Münze zwischen den Fingern. „Geh!“ befahl Ghislaine. „Ich will allein mit ihnen sprechen, sagte ich!“
    Der kahlköpfige Mann rührte sich nicht von der Stelle. Bedeutungsvoll ließ er den Blick von der Münze zur Tür des Verlieses wandern. Zornig presste Ghislaine die Lippen zusammen, riss ihren Ring vom Finger und warf sie in die gierigen Hände. „Reicht das jetzt?“
    „Zehn Vaterunser lang!“
    Gemächlich stapfte der Kerkermeister die Treppe hinauf. Ghislaine öffnete die kleine Klappe in der Tür und drückte das Gesicht

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