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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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irgendwann war ich nicht mehr sicher… ob ich etwas gesagt hatte… oder nicht. Konnte mich nicht mehr erinnern… Ich war nicht mal mehr sicher, ob ich am Leben war... oder schon in den Qualen des Jenseits...“
    „Jetzt wird alles gut!“ erwiderte Ghislaine. „Ihr seid in Freiheit und in Sicherheit!“
    Aber sie wusste, dass ihre Worte der Festigkeit entbehrten, die sie so gern in diesem Moment in sie gelegt hätte. Nein, nichts war gut! Draußen vor ihrem Refugium zwischen den Felsen spürten königliche Söldner ihnen nach, und sie waren hier so wenig sicher wie ein Fuchs im Bau, wenn die Meute ihn umzingelt hatte!
     
    Einige Fetzen der Unterhaltung klangen bis zu Arnaud, der sich auf den Weg nach draußen gemacht hatte. Ein Teil von ihm drängte danach zu sprechen, endlich auszusprechen, was er seit so langen Jahren behütete. Das Verlangen war mächtig genug, ihn innehalten und sich umwenden zu lassen. Doch dann sagte er sich erneut „Jetzt nicht.“ Nein, jetzt  nicht! Es hatte immer dieses ‚jetzt nicht’ gegeben, und er hatte dutzende Gründe gefunden, es vor sich selbst zu rechtfertigen.
    Er hatte es fertig gebracht, im Heiligen Land allein gegen eine sarazenische Truppe zu reiten, er hatte den Folterknechten der Inquisition widerstanden – und trotzdem, was DIESE Sache betraf, war er ein erbärmlicher Feigling. Er unterdrückte einen Seufzer und ließ sich vor der Höhle nieder.
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    S eit drei Wochen tagte nun das Konzil in Vienne. Papst Clemens hatte einen Sonderausschuß berufen, der getrennt von den übrigen Konzilsvätern die Templerangelegenheit beraten sollte. Hinter verschlossenen Türen begutachteten die Delegierten unter dem Vorsitz Erzbischof Gregors von Rouen die Protokolle, die von der Pariser Generalkommission vorgelegt worden waren.
    An diesem Tag war man bei der Zusammenfassung der Prozesseinreden, als plötzlich Erzbischof Philipp von Sens in den Saal rauschte.
    „Ehrwürdige Väter, mich erreichte soeben eine Nachricht Seiner Majestät. - Der Graf von Montfort hat einem Feind der Krone und der Kirche -“ Mit jedem Wort steigerte sich seine Stimme: “… einem gottlosen Templer zur Flucht verholfen! Behauptet Ihr etwa, nichts davon zu wissen?“ Er deutete mit seinem beringten Finger auf Gregor von Rouen. „Ihr seid doch aus der Familie der Montfort! Einer Familie von Verrätern!“
    Der Erzbischof kam nicht dazu, etwas zu entgegnen.
    „Meine Herren, ehrwürdige Väter des Konzils“, rief Philipp von Sens“, ich fordere die Absetzung Gregors von Rouen als Vorsitzender dieses Ausschusses! Ich fordere, dass er sich vor dem päpstlichen Gericht verantwortet!“
    Doch bei seinem Angriff hatte Philipp de Marigny nicht bedacht, wie sehr die Stimmung sich in den vergangenen Monaten zugunsten der Templer gewandelt hatte. So wurden zahlreiche Stimmen zur Verteidigung laut.
    „Ihr betreibt die Absetzung Erzbischof Gregors nur, weil Ihr wisst, dass der Heilige Vater den Templern die Verteidigung vor dem Konzil gestatten wird!“ behauptete ein kastilischer Bischof. „Und das wollt Ihr nicht!“
    „Kein Häretiker darf auf einem Konzil sprechen!“ kam die zornbebende Erwiderung. „Jeder, der das zulässt, ist ein Begünstiger der Häresie und selbst ein Häretiker!”
    „Wollt Ihr verurteilen aufgrund dessen?“
    Die Hand eines Prälaten schwenkte ein Bündel Protokolle. Ein Abgeordneter der Pariser Universität schrie nun, alles sei ein Komplott gegen König Philipp. Rasch hatten sich zwei Parteien gebildet, die sich gegenseitig der Häresie beschuldigten. Nur der Besonnenheit des Kardinals Berengar Fredoli war es zu verdanken, dass es zu keinem Handgemenge kam. Er schlug vor, dass beide Parteien ihre Forderungen schriftlich dem Heiligen Vater unterbreiten sollten. Das konnte keiner ablehnen und – die Gemüter würden Zeit finden, sich zu beruhigen. Mit hochmütigem Gesicht verließ Philipp de Marigny den Sitzungssaal, gefolgt von dem Abgeordneten der Pariser Universität. Dann ging auch Gregor von Rouen, hinunter in den Kreuzgang der Kathedrale. Am Brunnen setzte er sich und lauschte dem leise dahin plätschernden Wasser.
    Er wollte allein sein, allein mit diesen üblen Nachrichten. Und gerade jetzt, wo er kurz davor war, die Verteidigung des Ordens auf dem Konzil durchzubringen! Yvo - und einen Gefangenen befreien, und einen solchen noch dazu! War der Junge nicht erst vierzehn Jahre alt? Der Erzbischof seufzte. Welche Sorgen würde das Ghislaine wieder bereiten! Er konnte

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