Die Tränen des Herren (German Edition)
richterlichen Entscheid besagten Orden des Tempels mit ewiger Gültigkeit auf, beseitigen seine Regel, sein Ordensgewand und seinen Namen.“
Erzbischof Gregor schloss entsetzt die Augen.
„Gott sei uns gnädig!“ murmelte er. Wie aus nebelhafter Ferne vernahm er die übrigen Entscheide:
„Wir verbieten ausdrücklich, dass fernerhin irgendjemand in besagten Orden eintrete, sein Ordensgewand annehme, es trage und sich als Templer bezeichne. Handelt jemand dieser Verfügung zuwider, so sei er exkommuniziert...“
Ein Lächeln verzerrte die Lippen Nogarets. Dies war seine Stunde, der Sieg, den er eingebracht hatte, und nicht Philipp de Marigny! Dies war die Vollendung seiner Rache an der Kirche! Welch ein Triumph! Von ihrem eigenen Haupt war der Kirche ihr Schwertarm abgeschlagen worden! Zugrundegehen würde sie an dieser Wunde, langsam zugrunde gehen! Und nie wieder würde einer der Weißmäntel einen wehrlosen alten Mann in den Dreck stoßen!
Die Ordensbrüder waren überrascht, als Gregor von Rouen ihr Verlies betrat. Nie war der Erzbischof selbst zu ihnen gekommen.
„Messires, ich habe Euch den Erlass des Heiligen Vaters mitzuteilen“, sagte Gregor von Rouen, ein Pergament entrollend. Er las schnell, versuchte, sich hinter den trockenen Rechtsformeln zu verstecken.
„Der Orden ist... aufgelöst?“ wiederholte Jean de Saint-Florent fassungslos die letzten Worte des Erzbischofs. „Clemens hat es nicht gewagt, den Orden zu verurteilen, und trotzdem löst er ihn auf?!“
„Sagt mir...“ fragte Jocelin, „was hat Philipp dem Papst für diesen Verrat gegeben?“
„Die Anklage gegen Papst Bonifatius wurde zurückgenommen.“ Gregor von Rouen vermied, die Brüder anzusehen.
„Ich habe Befehl vom Heiligen Vater, Euch freizulassen.”
„Was nützt uns nun diese Freiheit? Ist Clemens zu feige, uns zu richten? Hat er Angst, unser Blut könne auf seiner Seele lasten? - Ich werde nicht gehen!“
Zwei andere der Gefangenen stimmten Jean zu.
„Nein. Wir werden gehen! Unsere Brüder warten auf uns“, erwiderte Jocelin leise, aber bestimmt. „Es ist unsere Pflicht, uns um sie zu kümmern.“
Der Prälat nickte ihm zu. Er führte die Templer aus dem Kerker in eine angrenzende Kammer. Hier lag ein Bündel weltlicher Kleider bereit. Schweigend kamen die Ordensbrüder der Aufforderung nach, sich umzuziehen. Erzbischof Gregor wies unter ein schmales Dach, das sich an der Mauer entlang zog.
„Dort sind Eure Pferde. - Geht mit Gott, Messires!“
Jocelin machte einen Schritt, doch dann wandte er sich noch einmal um. „Ehrwürdiger Vater, ich möchte Euch um etwas bitten. Es geht um Ghislaine, Eure Nichte...“
Mit einem Nicken lauschte der Erzbischof den rasch geflüsterten Worten.
Jocelins Augen glitten über die versammelten Ordensbrüder. Das Entsetzen über das eben Gehörte lastete auf ihnen. Sie waren gekommen, um in die Entscheidungsschlacht zu ziehen. Und nun hatte man sie vernichtet, bevor sie die Waffen hatten ergreifen können. Fünf Jahre lang hatten sie um einen gerechten Prozess gekämpft, und jetzt war alles umsonst gewesen. Der Orden war aufgelöst. Mit einem einfachen Federstrich ausgelöscht. Das war genug, einen Mann loderndem Zorn auf Gott und die Menschen anheim fallen zu lassen. In den Gesichtern mancher seiner Brüder sah Jocelin das Feuer dieses Aufbegehrens, hörte die stummen Schreie nach Vergeltung. So viele brauchten Orientierung… Nahrung und Kleidung nicht nur für den Leib, sondern auch für die Seele. Sie mussten sich um sie kümmern. Sie mussten Wege finden!
„Brüder“, begann er und erhob sich. „Papst Clemens hat eine schwere Sünde begangen, für die der Herr Rechenschaft von ihm fordern wird. Niemals dürfen WIR unsere Hände zu einer Rache erheben! Niemals, sage ich, und ich beschwöre einen jeden von Euch, dies zu halten! Solange Clemens lebt, haben wir nichts zu hoffen, aber eines Tages wird ein neuer Papst kommen, ein neues Konzil, frei von König Philipp. Bis dahin können wir das Kreuz unseres Ordens nicht mehr auf unseren Gewändern tragen. Aber wir werden es auf dem Herzen tragen! Das, was immer der Geist unseres Ordens gewesen ist, wird uns Kraft geben, auszuharren, bis die Wahrheit offenbar gemacht wird: die Liebe zu Christus bis zum Tod!”
„Aber wie sollen wir leben, Sire? Wohin sollen wir gehen? Hier in Frankreich können wir nicht bleiben!”
„Wir können ins Reich gehen,” riet einer der Brüder, ehe Jocelin antworten konnte. „Dort
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