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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Gesetzessammlungen, der Essenz der Weisheit seiner Meinung nach.
    Manchmal fragte er sich, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, Seiner Majestät nach Paris zu folgen. Die Stadt war ein verderblicher Sumpf... Der Siegelbewahrer stieg in den Sattel seines Pferdes, das der Knecht ihm bereithielt und ritt langsam in Richtung des königlichen Palais.
    „Seid gegrüßt, mon Sire!“
    Ein Reiter auf einem schwarzen Araberhengst  gesellte sich zu ihm. Sein langer Samtmantel war von derselben Farbe wie sein Pferd. Darunter trug er ein kostbar schimmerndes Brokatwams mit Zobelverbrämung. Nogaret erwiderte den Gruß mit einem Nicken.
    „Euch hat diese Anklage ja schon einen ansehnlichen Ertrag verschafft, wie ich sehe, Esquieu!”
    „Nicht so ansehnlich, wie er sein sollte nach allem, was König Philipp mir zu verdanken hat!“
    Anmaßend wie seine Worte war das schmale, braunhäutige Gesicht mit der Raubvogelnase.
    „Ihr solltet froh sein, dass man Euch das Leben geschenkt hat, Mann! Seid vorsichtig mit Euren weiteren Forderungen! Sonst wird man am Ende sagen, Ihr hättet die Templer aus Habgier und nicht aus Eifer für den Glauben angezeigt!“
    „...wie Ihr, nicht wahr? Ihr seid ja ein so frommer Mann, Sire Guillaume!“
    Der Hohn in der Stimme Floyrans entging dem Siegelbewahrer nicht. Er fragte sich, wie viel er wusste. Möglicherweise zu viel. „Versucht nicht, ein doppeltes Spiel zu treiben!“ drohte er.
    „Nur keine Sorge, Sire! Habt Ihr mir nicht damals im Kerker gesagt, Ihr wolltet den Orden der Templer vernichten um jeden Preis? Ich helfe Euch dabei, aber ich habe meinen eigenen Preis!“
    Nogaret neigte sich vor. Seine Züge waren kalt und unerbittlich. „Ich habe Euch schon einmal gesagt, fordert nicht zu viel! Ich werde Euren Kopf nicht noch einmal retten!”
    Nein, im Gegenteil… ich muss sehen, dass ich ihn von Euren Schultern hole….
    „Die Templer werden durch das Recht fallen! Durch das Recht ihrer eigenen Heiligen Kirche! Nur durch das Recht, merkt Euch das, Sire Esquieu!“ flüsterte er eindringlich.
    Floyran lachte nur und trieb sein Pferd zum Galopp an.
    Komtur Robert bewegte vorsichtig seine Hände in den Eisenfesseln. Wie lange war er jetzt schon hier? In ihrer Unbestimmtheit war die Zeit die schlimmste Qual. Seit ihrer Verhaftung hatte sich niemand mehr um die Gefangenen gekümmert. Die Welt außerhalb der meterdicken Mauern schien sie vergessen zu haben. Anfangs hatten die Männer noch Lärm geschlagen, wenn Schritte vor der Tür zu hören gewesen waren. Unterdessen war die Empörung einer dumpf brütenden Angst gewichen. Der Komtur von Paris hatte seine Ordensbrüder an Mut und Disziplin gemahnt, doch jede weitere Stunde höhlte diesen Befehl aus und zermürbte die Gefangenen. Nur Pietro di Bologna ging unermüdlich den Aufbau seiner Verteidigung durch, stellte im Geiste Listen der Entlastungszeugen auf und entwarf Petitionen an den Papst. Er gestattete sich nicht den mindesten Zweifel am Erfolg seiner Arbeit.
    Komtur Robert lehnte sich erleichtert zurück. Endlich war es ihm gelungen, ein Stück seiner Tunika zwischen die Eisenfesseln und seine wundgescheuerten Handgelenke zu stopfen. In diesem Moment wurde die Tür des Kerkers aufgesperrt. Ein unerwartet heller Lichtstrahl ließ Robert blinzeln.
    „Den da“, sagte eine Stimme. Ein Waffenknecht trat zu Komtur Robert, schloss dessen Fesseln ab und trieb ihn hinaus. Sofort packten ihn zwei Waffenknechte.
    „Wohin bringt ihr mich? Lasst mich los!“
    Einer der Waffenknechte antwortete Robert mit einem Schlag ins Gesicht.
    „Ihr glaubt wohl, Ihr seid noch in Eurer Komturei?! Hier habt Ihr nichts mehr zu befehlen, edler Bruder!“ höhnte er.
    Der Gefangene wurde in einen überwölbten Raum geführt. Gegenüber der Tür stand ein langer Tisch, an dem ein Dominikaner mit dem unerbittlichen Blick des Richters saß. Ein feingliedriger junger Mönch stand bei ihm und harrte mit offensichtlicher Abneigung des anberaumten Anschauungsunterrichts. Dann war da noch ein Schreiber. Am Ende des Tisches thronte Guillaume de Nogaret, die Anklageschrift des Königs vor sich. Er schien leidenschaftslos abzuwarten, aber in seinem Innern loderte ein begehrliches Feuer.  Er dürstete nach Rache. Seit Jahren schon. Und endlich, endlich würde er einen dieser Templer leiden sehen, sich winden vor Schmerz...
    „Ich fordere, dass man mir die Ketten abnimmt!“ rief Komtur Robert den Anwesenden entgegen. „Mit welchem Recht behandelt man mich wie

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