Die Tränen des Herren (German Edition)
einen Verbrecher?“
Nogaret erhob sich.
„Ich glaube, Euch ist nicht völlig klar, wie es um Euch steht, mein lieber Komtur von Paris?“ sagte er salbungsvoll. „Ihr seid nicht in der Lage, etwas zu fordern. Ihr steht im Verdacht der schweren Häresie.“
„Das ist eine Verleumdung!“
Robert zuckte zusammen, weil der Dominikaner ihm Weihwasser ins Gesicht spritzte.
„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Steh uns bei, o Gott, gegen die Macht des Bösen!“
Roberts verwunderter Blick streifte Nogaret, den exkommunizierten Siegelbewahrer. Was für ein Tribunal war das? Er öffnete den Mund, aber ehe er etwas sagen konnte, begann Guillaume de Nogaret mit der lauten Verlesung der Anklageschrift. Die Worte klangen schärfer als alles, was Robert bereits von seinen Ordensbrüdern gehört hatte. Ein bedrückendes Gefühl ergriff ihn, dass selbst Pietro di Bolognas brillanteste Verteidigung machtlos sein könnte.
„Wünscht Ihr, dass man Euch die Anklage auf Französisch wiederholt, Sire Commandeur?“
Robert schüttelte den Kopf.
„Ihr habt also verstanden, dass die Heilige Inquisition genau über die Verbrechen informiert ist, die der Orden der Templer begangen hat“, ergriff der Dominikaner das Wort. „Ich fordere Euch auf, in einer Sache, die den heiligen Glauben betrifft, die volle Wahrheit zu sagen!“
„Das tue ich!“ entgegnete Robert, und einen winzigen Moment lang hegte er die Hoffnung, dass sich doch alles zum Guten wenden würde.
„Bruder Tancred, lass den Zeugen schwören!”
Der junge Mönch hielt Robert ein Evangeliar entgegen, und der Komtur leistete den feierlichen Eid.
„Jetzt seid Ihr Gott verpflichtet, denkt daran und bekennt freimütig Eure Irrtümer ohne Ausnahme! Ihr braucht keine Furcht zu haben, Gott ist barmherzig, und die Kirche ist stets bereit, einen reuigen Sünder wieder aufzunehmen.“
„Ich habe nichts zu bekennen!“
„Ihr leugnet also, bei Eurer Profess Christus verleugnet und auf das Kreuz gespuckt zu haben?“ fragte der Dominikaner mit Nachdruck. Er rüstete sich für den Kampf gegen einen unsichtbaren Feind: den Teufel.
„Ja! Bei Gott und allen Heiligen, ich würde nie so etwas tun!“ Robert bekreuzigte sich und bekam erneut Weihwasser ins Gesicht.
„Ich habe viele Novizen aufgenommen, und niemals derartiges verlangt! Und ich habe auch noch nie davon gehört!“
„Und Ihr leugnet ebenso, die Novizen auf die eben beschriebene Art geküsst zu haben?“
„Ich habe sie auf den Mund geküsst zum Zeichen des Friedens und der Gemeinschaft, nichts sonst!“
„Habt Ihr ihnen erlaubt, ihre fleischliche Lust aneinander zu befriedigen?”
„Gott möge jene verdammen, die diese Lügen verbreitet haben!”
Der Protokollschreiber zuckte zurück. Guillaume de Nogaret gab den Waffenknechten ein Zeichen, die Robert daraufhin wieder ergriffen. Nogaret entriss dem Dominikaner die Fragevorlagen, die er ihm vor Beginn des Verhörs übergeben hatte.
„Ihr habt die Sodomie begangen, Ihr habt sie sogar zum Gesetz erhoben! Hier steht es! Selbst die Annalen der Ungläubigen berichten von den Ausschweifungen in den Konventen Eures Ordens! Und ein halbes Dutzend Zeugen hat es beschworen!“
„Wir sind unschuldig! Das ist die Wahrheit! Ich habe es auf die Evangelien geschworen, und ich wiederhole den Eid, sooft Ihr wollt!“
Der Dominikaner erhob sich mit zu Stein erstarrten Zügen.
„Der Teufel hat Euer Gedächtnis etwas getrübt, wie mir scheint, Sire. Aber wir werden Euch helfen, die Erinnerung wiederzufinden.“
Er befahl den Waffenknechten, Robert hinter ihm her zu führen und ging durch eine kleine Tür voraus. Sie öffnete sich in einen Raum, der schwarz war vom Ruß einer Feuerstelle im Zentrum. Das Wechselspiel der Flammen ließ die Folterinstrumente an den Wänden lebendig wirken, ein höllisches Szenario. Nur der Teufel fehlte. Oder war es der halbnackte Mann mit der roten Henkerkapuze, der neben dem Feuer stand?
„Ihr könnt die Werkzeuge sehen, Sire, die man bei der peinlichen Befragung anwenden wird, wenn Ihr nicht bereit seid zu gestehen!“ sagte der Dominikaner und machte eine ausholende Bewegung.
„Zuerst wird man Euch auf die Wippe spannen. Oder man wird Euch aufhängen, und mit jedem Mal werden die Gewichte verstärkt, bis die Sehnen der Glieder reißen.“ Er verstummte, um die Wirkung seiner Worte zu überprüfen und blickte Robert an.
„Ihr könnt mich nicht foltern! Wir unterstehen einem kirchlichen
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