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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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können nicht rechtskräftig sein. Die Brüder sind von einer weltlichen Macht gefangen gesetzt worden und verhört. Das ist gegen die Privilegien, die uns alle Päpste und Bischöfe bestätigt haben! Keiner, der nicht Mitglied des Ordens ist, darf gegen einen Ordensbruder aussagen, aber nur das ist geschehen, ohne dass wir selbst die Namen der Ankläger erfuhren! Niemand darf uns exkommunizieren außer dem Papst, aber vom Tag unserer Verhaftung an hat man uns nicht mehr die Sakramente gereicht!“
    Jocelin reichte dem Erzbischof die Petition.
    „Wir können dies nicht selbst auf dem Ständetag vorbringen. König Philipp ließe uns sofort verhaften. Daher bitten wir Euch, es zu verlesen. Bei der Wahrheit Gottes, verhelft uns zu unserem Recht.”
    Kopfschüttelnd schob Erzbischof Gregor die Pergamentrolle zurück.
    „Ich kann es nicht tun.”
    „Ehrwürden! Der Ständetag darf die Verfahren nicht approbieren!”
    „Leiser, mein Sohn!” wandte sich der Erzbischof an Jocelin. „In diesen Mauern gibt es mehr Leute des Königs als Ihr meint.”
    „Dann glaubt Ihr an unsere Unschuld?!”
    „Es geht nicht darum, was ich glaube oder nicht. ‘Die Wahrheit Gottes’. Wenn es so einfach wäre! Die Welt ist voller Übel, und zuweilen ist man gezwungen, von zweien das kleinere zu wählen.”
    „Ihr wollt zulassen, dass Unschuldige verurteilt werden?”
    Der Erzbischof schloss die Augen und lehnte sich zurück.
    „Ich rate Euch, verlasst Tours, ehe man auf Euch aufmerksam wird.”
    „Aber -!”
    Gregor von Rouen ergriff das Glöckchen, um nach dem Mönch zu läuten, der ihm als Bediensteter zugeteilt worden war.
    „Geht, habe ich gesagt. Es ist Zeit für mein Offizium.”
    Am nächsten Tag lehnte Erzbischof Gregor es ab, ihn noch einmal zu empfangen. Niedergeschlagen verließ Jocelin das Kloster, um sich wie geplant mit seinen Brüdern in St. Madeleine zu treffen.
    Zu dieser Stunde drängten sich in der Kollegiatskirche die Bettler und erwarteten die tägliche Almosenverteilung der Kanoniker. Jocelin musste sich durch die Armen drängen, die ihm jammernd die Hände entgegenstreckten, während er nach seinen Kameraden Ausschau hielt. Hatten Arnaud und Louis es überhaupt bis Tours geschafft oder waren sie unterwegs womöglich aufgegriffen worden?
    Einer der Bettler packte den Ordensbruder am Arm.
    „Ich habe nichts!“ wehrte Jocelin unwirsch ab. „Lass mich los!“
    „Eine milde Gabe, Sire, eine milde Gabe!“ schrie der Bettler beharrlich.
    Die Stimme ließ Jocelin herumfahren. Aus dem Schatten einer Sackleinenkapuze schenkte ihm Bruder Louis ein kurzes Lächeln. Unauffällig folgte er ihm zu einem der Seitenaltäre, wo er nun auch Arnaud und Ranulf entdeckte. Dem Himmel sei Dank!
    „Ich bin erleichtert, euch wohlbehalten hier zu sehen!“
    „Wir genauso“, antwortete Louis im Flüsterton. „Es waren ein paar Gerüchte im Umlauf, man hätte einen Anführer der Templer in Paris gehängt. - Und, ist es Euch gelungen, mit Meister Jacques zu sprechen?“
    „Ja. Und er hat mich und Euch, Sire Arnaud, zu Prokuratoren des Ordens ernannt, solange er und das Oberste Kapitel in Haft sind.“ Jocelin zeigte den Siegelring des Meisters und überreichte ihn seinem Pflegevater. „Tragt Ihr ihn; Euch kommt er eher zu als mir!“
    Arnaud nahm den Ring entgegen. „Ich hoffe, ich werde mich dieses Vertrauens würdig erweisen... Hat man die Gefangenen in Corbeil noch einmal verhört?“
    „Bisher offenbar nicht.“
    „Hm...Philipp wartet vielleicht auf den Applaus der Stände, bevor er weiter vorrückt! Den wird er wohl auch bekommen, bei all den Privilegien, die er den Abgeordneten der Städte in den letzten Monaten in den gierigen Rachen geworfen hat!“ Einen Moment lang schwiegen die Ordensbrüder, weil sich eine alte Frau vor dem Altar niedergeworfen hatte und die dortigen Reliquien der Heiligen Regula tränenreich um Gewährung irgendeiner Hilfe anflehte.
    „Das klingt“, fuhr Jocelin dann fort, als sie endlich wieder allein waren, „...als hättet Ihr hier bei den Ständevertretern ebenso wenig wie ich Erfolg gehabt.“
    „Nun, ich habe gestern mit dem Erzbischof von Toulouse gesprochen“, erwiderte Arnaud. „Die Querelen, die er mit den Dominikanern hat sind ja bekannt, und so dachte ich, dass macht ihn vielleicht geneigt, uns zuzuhören. Aber das war ein Irrtum. Und was hat der Erzbischof von Rouen gesagt? Wird er unsere Petition verlesen?“
    Jocelin schüttelte den Kopf. „Nein. Alles umsonst! Vielleicht

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