Die Tränen des Herren (German Edition)
Waschschüssel trat.
„Ja.“ Er tauchte die Hände und dann das Gesicht ein. „Es wird erst ein Ende nehmen, wenn alles vollbracht ist...“
Seine Frau schüttelte den Kopf. Er hatte ihr weder die ganze Wahrheit über die damaligen Ereignisse erzählt, noch was ihn sonst in dieser Sache bewegte. Es war nichts, was sie etwas anging, was sie verstehen würde... Er griff nach seinen Sachen. Er wollte nicht noch mehr Zeit mit Schlaf vergeuden. Der Ständetag rückte heran. Es gab noch viel zu tun... sehr viel, bis er endlich das erreicht haben würde, was hoffentlich die Albträume für immer aus seinem Geist verbannte...
Jocelin stand in einer Ecke des Rathausplatzes von Tours. In zwei Tagen würde hier die Hauptversammlung der Stände tagen. Aber schon heute fanden sich die Menschen ein, um sich an zahlreichen Pamphleten zu erhitzen. Ihr Ziel schien es zu sein, die Menge gegen den Papst aufzuwiegeln.
„Clemens, was seid Ihr für ein Hirte?“ ereiferte sich einer der bezahlten Redner. „Ihr sorgt für Eure Familie, verschachert Ämter der Heiligen Kirche an unwürdige Verwandte! Wisst Ihr nicht, dass die Sorge um die Seelen das höchste Gut ist, und Ihr verschleudert es! Wie schlecht tut Ihr den Dienst, den die Christenheit Euch anvertraut hat!“
Das Gebaren des Redners ließ keinen Zweifel, dass für ihn ‚die Christenheit‘ gleichzusetzen war mit dem Allerchristlichsten König Philipp. Und sangen nicht selbst die Kinder Spottverse über den Papst von Königs Gnaden?
„Clemens, Ihr verschleudert nicht nur das Gut der Kirche, Ihr seid auch nachlässig in der Bestrafung der Feinde Christi! Diese Templer sind alle Gotteslästerer und Mörder, wie lang wollt Ihr noch dulden, dass sie unseren Herrn beleidigen? Bedenkt, Clemens, es sind die Lauen, die Gott aus seinem Mund speit! Enttäuscht das Volk nicht länger, das auf Euch hofft! Befreit es von der Geisel der Ketzerei oder -“ Die Stimme schallte weit über den Platz, “oder das Volk wird sich von EUCH befreien!“
Sprechchöre antworteten dem Redner: „Befreit uns! Befreit uns von den Ketzern! Befreit uns von den Ungläubigen!“
Jocelin machte sich auf den Weg durch die schreiende, wild gestikulierende Menge. Papst Clemens würde großen Mut brauchen, wollte er sich dieser fanatischen Flut entgegenstellen...
An der Pforte des Martinsklosters angekommen, läutete er. Der Kopf eines Mönches erschien hinter dem Klausurgitter. „Gelobt sei Jesus Christus!“
„In Ewigkeit, Amen. Ich ersuche um eine Audienz bei dem hochwürdigsten Gregor, Erzbischof von Rouen!“
„Habt Ihr eine Empfehlung des Königs?”
„Ich bin Jocelin von Provins. Sagt Seiner Ehrwürden, ich komme von Gräfin Ghislaine de Montfort. Hier ist eine Nachricht mit ihrem Siegel!”
Der Mönch seufzte, betrachtete den seltsamen Ankömmling, der wie ein Bettler aussah, aber offenbar keiner war und seufzte wieder. Dann öffnete er die Tür und befahl: „Wartet hier im Garten, Sire!“
Gregor von Rouen runzelte nachdenklich die Stirn, als der Mönch ihm berichtete. Gräfin Ghislaine schickte ihn? Er erbrach das Siegel und begann zu lesen. Der Mönch sah, wie die Farbe aus seinen Wangen wich. Es musste eine schlimme Nachricht sein... Der Erzbischof sah durch das winzige Spähloch in der Galeriewand in den Garten hinunter.
„Ist er das?“ Der Mönch bejahte.
„Nun gut.“ Er wandte sich zu dem Mönch um. „Bring ihn in meine Zelle!”
Wenig später verneigte sich Jocelin vor dem Erzbischof.
„Ihr habt den Brief von Gräfin Ghislaine gelesen, Euer Ehrwürden?”
Der Erzbischof nickte.
„Ich danke Euch, dass Ihr bereit seid, mich anzuhören.”
„Dankt mir nicht zu früh. Ich kann nichts für Euch tun.”
„Alles was ich und meine Brüder wollen, ist Gerechtigkeit. In zwei Tagen wird König Philipp die Stände nach einem Urteil befragen, das ihnen nicht zusteht. Nur der Heilige Vater kann über unseren Orden Gericht halten. Es ist Eure Pflicht, die Freiheit der Kirche zu bewahren.”
„Ihr sprecht von Pflichten und Rechten? Uns sind die Geständnisse Eurer Ordensbrüder vorgelegt worden! Auch das Eures Meisters!”
„Diese Geständnisse sind durch Betrug und Folter erpresst worden!“
„Ich habe nichts als Euer Wort gegen hunderte belastende Protokolle,” entgegnete er.
„Ich und ein weiterer Bruder sind von Meister Jacques autorisiert, für den Orden zu sprechen. Meister Jacques hat widerrufen; die meisten unserer Brüder auch. Und ihre Geständnisse
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