Die Tränen des Herren (German Edition)
Blanche versetzte Esquieu de Floyran in einen Zustand freudiger Erwartung. Er befahl die übrigen seiner Angeheuerten zu sich.
„Holt eure Waffen und macht die Pferde bereit!”
„Gehen wir auf die Jagd, Sire?“
„Oh ja...“ erwiderte Floyran und strich lächelnd über die Klinge seines Schwertes.
Während seine Männer in den Stall hinuntergingen, schnallte er den Schwertgurt um die Hüften, schob einen Dolch unter das Hemd und einen weiteren in den linken Stiefel.
Wenig später war er mit seinen Kumpanen unterwegs. Je näher er den Besitzungen der Gräfin von Montfort kam, desto häufiger begegneten ihm königliche Söldner. Offenbar hatten sie bisher keinen Erfolg gehabt, dachte er schadenfroh.
„He, Messire, woher kommt ihr?” rief ihm einer der Männer zu.
„Aus Paris.”
„Habt Ihr irgendwelche verdächtigen Leute gesehen? Wir sind auf der Suche nach einem Haufen flüchtiger Templer.”
Floyran tat, als überlege er. Dann wies er in die Richtung der Seine.
„Auf einem Floß habe ich ein paar Männer gesehen. Gut möglich, dass sie es waren.”
„Danke, Messire!” Der Söldner gab seinen Leuten den Befehl, ihm zum Fluss zu folgen.
Floyran nickte selbstgefällig. Auf keinen Fall sollten ihm die Söldner irgendwie in die Quere kommen! Er brauchte freie Hand!
Im Burghof herrschte die Betriebsamkeit der Morgenstunden, und so merkte Ghislaine nicht, wie ihr ein Mann folgte. Hinter dem Taubenturm griff er nach ihrem Arm. Sie drehte sich um und blickte in ein knochiges Gesicht mit wildem Bart. Der Mann drückte ihr ein klein zusammengefaltetes Pergament in die Hand. Bevor sie ein Wort sagen konnte, war er wieder durch das Tor verschwunden. Verwirrt schlug sie das Pergament auf - und kehrte mit nur mühsam gezügelten Schritten zu den beiden Ordensbrüdern zurück.
Jocelin las zweimal die ungelenken Zeilen.
„Wir haben eine Botschaft von Papst Clemens. Kommt zum Kreuz von Jalouses.“
„Wie sah der Mann aus, der Euch das gegeben hat, Madame?“
„Groß, ziemlich verwahrlost, mit blondem Bart. Er trug einen ledernen Waffenrock.“
Nachdenklich betrachtete Jocelin den seltsamen Brief. Die Beschreibung konnte auf Bruder Raoul aus Provins passen. Aber wie sollte er an eine Botschaft von Papst Clemens gekommen sein? Und vor allem, woher sollte er wissen, dass ER hier war? Louis hatte vermutlich gerade erst ihren Schlupfwinkel in Fontainebleau erreicht. Und einer der anderen Brüder aus Jean de Saint-Florents Gefolgschaft? Wer von ihnen konnte überhaupt schreiben? Und warum hatte er ihm die Nachricht nicht selbst überbracht, anstatt die verräterischen Worte dem Pergament anzuvertrauen? War ihm irgendeiner der Söldner gefolgt? Doch weshalb sollte er sich die Mühe machen, eine Nachricht zu fälschen, anstatt seine Truppe zu alarmieren? Nichts passte zusammen! Aber wenn es wirklich eine Nachricht von seinen Ordensbrüdern war, würden sie glauben, ihm sei etwas zugestoßen, wenn er nicht erschiene...
So entschloss sich Jocelin letztlich, auf das Treffen einzugehen, obwohl er sich große Sorgen um Arnaud machte. Nur kurz hatte sein Pflegevater das Bewusstsein wiedererlangt, hatte versucht zu sprechen, aber ehe es ihm möglich gewesen war, Worte zu finden, hatte die Ohnmacht ihn wieder mit sich gerissen. Solange er denken konnte, war Arnaud stets derjenige gewesen, der ihn beschützt und beschirmt hatte; er hatte ihn ausgebildet, ihm alles gelehrt, was er wusste. Den alten Ordensritter nun so hilflos daliegen zu sehen, gab ihm ein Gefühl der Ohnmacht, und der Gedanke, dass ihn königliche Söldner dahin gebracht hatten, ließ Zorn in ihm aufschlagen.
Die Kapuze tief in das Gesicht ziehend wandte sich Jocelin von Arnaud ab.
„Ihr werdet also gehen?“ fragte Ghislaine. „Und was geschieht, wenn … Euch etwas zustößt?“
‚Wenn es eine Falle der Inquisition ist’ – das kam ihr nicht über die Lippen. Es war ihr geradezu, als würde sie damit das Böse herbeirufen!
„Ich muss gehen. Ich bitte Euch nur … sorgt für Sire Arnaud. Sobald es ihm besser geht, gebt ihm Euer schnellstes Pferd und empfehlt ihn Gottes Gnade!“
Sie nickte, und er verließ die kleine Kammer mit eiligen Schritten.
Ghislaine blickte ihm mit sehr gemischten Gefühlen nach. Sie konnte nicht genau beschreiben, was ihr Angst machte, aber irgendetwas stimmte nicht... Für einen Augenblick erwog sie, ihm hinterher zu laufen und ihn aufzuhalten. Aber nein, das war kindisch! Und... es hätte zu viel Aufsehen
Weitere Kostenlose Bücher