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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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konnte weder den Anblick der knienden Brüder noch des Papstes länger ertragen. Selbst das Licht und die Wärme der Sonne waren im plötzlich widerwärtig. Wie konnte es sein, dass der Himmel sich nicht verdunkelte und der Zorn Gottes sich nicht über die Welt ergoss?
    Die Nacht brach herein. Seit Tagesbeginn warteten die Templer auf die Entscheidung des Papstes. Arnaud und Jocelin waren in der Stadt und hatten ein letztes verzweifeltes Bittgesuch um Anhörung weiterer Zeugen überbracht.
    „Papst Clemens muss den Orden freisprechen”, sagte Kaplan Helias zum wiederholten Mal. “Er kann nicht glauben, dass diese Geständnisse der Wahrheit entsprechen! Nicht zwei von denen, die ich kopiert habe, stimmten überein! Niemand würde doch einer häretischen Lehre anhängen, die er selbst nicht kennt! Das ist widersinnig! Nein, selbst wenn keiner der Zeugen widerrufen hat, Clemens muss uns freisprechen!”
    Auch Bruder Louis war dieser Meinung. Er lehnte sich an einen Baumstamm zurück, und während der Gesang der Vögel langsam in der Dunkelheit verebbte, war er sich mit einem Mal des baldigen Endes ihrer Verfolgung sicher. Vielleicht speisten Arnaud und Jocelin ja schon mit Papst Clemens, und deshalb dauerte es so lang. Ja gewiss, dass würde es sein! Ah, in ein paar Tagen könnten sie alle wieder in ihre Ordenshäuser einziehen, die Glocke würde sie zum Gebet und zu Tisch rufen wie stets...
    „Sie kommen!”
    Der Ruf des Postens riss Louis aus seinem schönen Traum. Erwartungsvoll sprang er auf. Pferdehufe waren zu hören, dann schälten sich die Gestalten der Reiter aus der Nacht.
    Ihre Mienen zerschlugen Louis’ Hoffnungen, noch ehe ein Wort gefallen war.
    „Clemens hat Euch nicht angehört,” murmelte er.
    Jocelin stieg aus dem Sattel. „Er hat uns das hier übergeben lassen,” sagte er und hob eine Pergamentrolle. Mit dem Dolch durchtrennte er das Siegelband und trat ans Feuer.
    Die Brüder scharten sich enger um ihn, und er begann laut die Entscheidungen des Papstes zu lesen:
    „....da es scheint, dass die den Templern zur Last gelegten Verbrechen wahr sind, befehlen Wir Euch, Erzbischöfen, Bischöfen und Äbten, die Untersuchung gegen die Personen dieses Ordens einzuleiten, gemäß den kanonischen Bestimmungen... zum Ruhm und zur Verherrlichung des Glaubens...Wir ordnen an, dass Ihr Euch einige geeignete Personen in dieser Untersuchung zur Seite stellt, die Wir bestimmen werden... Hütet Euch jedoch, Euch in das Verfahren über den Gesamtorden einzumischen, welches Wir Uns vorbehalten... Wir reservieren Uns auch in jeglicher Beziehung den Prozess gegen den Meister des Tempels und die übrigen Würdenträger...”
    „Kein Freispruch,” rief Kaplan Helias bitter.
    „Und der Papst lässt uns auch nicht verteidigen,” setzte ein anderer Bruder hinzu.
    Jocelin senkte die Augen noch einmal auf den schrecklichen Satz: ‚Es scheint, dass die Verbrechen wahr sind...‘ Wie konnte Clemens das nur glauben? Wie, bei Gott?
    „Aber er gewährt uns einen Prozess nach den Normen des kirchlichen Rechts“, wandte Arnaud ein. „Das ist viel, nach allem, was der Heilige Vater hat geschehen lassen - Gott vergebe mir -, aber ob es den Orden rettet, hängt allein davon ab, wieweit sich Clemens und die Bischöfe von dem Griff König Philipps befreien können. Und das, fürchte ich, wird nicht allzu weit sein!“
    „Seine Majestät will unsere Verurteilung. Er wird nicht eher ruhen, bis er sie erreicht hat!”
    Jocelin griff nach dem Wasserschlauch, den Kaplan Helias ihm reichte und trank durstig.
    „Aber - nicht alle Herrscher werden an die Schuld des Ordens glauben.” suchte Louis sich selbst Mut zu machen. „Der König von Portugal beispielsweise ist ein großer Freund des Tempels, das weiß man. Oder auch Jayme von Aragon...”
    „Wenn Papst Clemens befiehlt, unsere Brüder gefangen zunehmen, wird nach dem Glauben von König Jayme oder König Diniz niemand mehr fragen. Und ganz besonders nicht König Philipp, der dem Papst vielleicht gern seinen Arm gegen die Begünstiger der Templer leiht“, erwiderte Jocelin. ”Wie weit, glaubt Ihr, wird König Diniz mit seiner Freundschaft gehen? Wird er zulassen, exkommuniziert und seiner Krone beraubt zu werden?”
    Er ließ sich neben die Feuerstelle fallen, müde und ausgelaugt.
    „Was ist mit Meister Jacques?” fragte einer der Brüder. „Hat er denn auch erneut gestanden?”
    „Ich weiß es nicht. Über ihn und die anderen Würdenträger steht in der

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