Die Tränen des Herren (German Edition)
Mann.
„Wir würden ja widerrufen, Jesus der Sohn der Jungfrau ist mein Zeuge! Wenn wir nur in Freiheit wären!” sagte ein anderer Bruder. „Aber so?” Er hob zur Bekräftigung seiner Worte die gefesselten Hände.
„Verteidigt unseren Orden, im Namen Christi! Das Schicksal des Tempels kann von eurer Verteidigung abhängen! Die Bischöfe und der Papst sollen die Wahrheit aus Eurem Mund hören!”
„Soll doch Meister Jacques den Orden verteidigen! Aber er hat uns befohlen zu gestehen! Wie sollen wir denn noch wissen, was zu tun ist?!”
Ohne ihrer Brüder sicher zu sein verließen Jocelin und Louis den Kerker.
„Nun, habt Ihr’s ihnen recht eingebläut?” empfing sie der bischöfliche Amtmann leutselig. Seine Art widerte Jocelin an.
„Die Gefangenen sind in einem schlechten Zustand,” sagte er um äußere Gleichmut bemüht. ”Nehmt ihnen die Ketten wieder ab und sorgt für besseres Essen!”
Der Amtmann zog überrascht die Brauen hoch. Derlei Mitgefühl war er von den Dominikanern nicht gewohnt. Dann zuckte er mit den Schultern. „Wenn Ihr’s für richtig haltet...
Mich geht‘s nichts an. - In der Küche haben wir wieder ein feines Süppchen für Euch herrichten lassen, wie jeden Tag. Lasst es Euch schmecken, ehrwürdige Brüder!”
Es war die erste warme Mahlzeit seit Tagen. Aber der Gedanke an ihre gefangenen Brüder nahm ihnen den Appetit.
Als nächstes suchten Jocelin und Louis das herzogliche Palais auf. Aber dort sah es nicht besser aus. Die Brüder im Kerker waren fast alle krank und derart eingeschüchtert, dass ein Widerruf ihrer Geständnisse nicht zu erwarten war. Die ehemaligen Templer, die sich freiwillig als Zeugen gemeldet hatten, waren in einem der oberen Gemächer des Palais untergebracht worden. Doch sie empfingen die beiden Ordensbrüder mit einer sarkastischen Abfuhr.
„Ich soll den Orden verteidigen, der mich ausgestoßen hat?!” rief einer der Männer. „Ausgestoßen wegen vier Florins, die ich bei mir hatte! Wenn ich nicht geflohen wäre, dann säße ich heute noch im Kerker und würde langsam verfaulen! Oh nein!”
„Aber Ihr wisst, dass diese Anklagen gegen den Orden Verleumdungen sind!”
„Ich-” erwiderte ein Mann in speckigem Lederwams, “ich weiß nur, wie man mich behandelt hat, ehe ich nackt aus der Komturei getrieben wurde! Schert Euch zum Teufel, mitsamt Eurem Orden!”
„Gehen wir,” sagte Louis und griff den Arm seines Ordensbruders. „Hört die Vesperglocken!”
Tatsächlich läutete es bereits. Sie mussten sich beeilen, wollten sie vor den Hirten an der Viehtränke sein.
„Bitte, überlegt es Euch,” wandte sich Jocelin noch einmal an die Ehemaligen. „Sagt die Wahrheit, um Gottes Willen und seines Gerichts!”
Dann verließen sie das herzogliche Palais. Durch die engen Gassen des jüdischen Viertels strebten sie dem Südtor zu.
Als sie die Viehtränke erreichten, war schon das Blöken der Schafherde zu hören. Jocelin pfiff zweimal den als Signal verabredeten Vogelruf. Blattwerk raschelte und Bruder Guys Kopf tauchte auf.
„Ah, Messires, da seid Ihr ja endlich! Ich dachte schon, es ist etwas geschehen und ich muss die ehrwürdigen Brüder nackt in ihr Kloster zurückschicken!”
„Nun, gottlob nicht!” rief Louis und zog die Kutte über den Kopf. „Aber jetzt rasch!”
Guy löste die Fesseln der beiden Dominikaner. Mit zornrotem Gesicht packte der Ältere seinen Habit.
„Ihr werdet exkommuniziert! Alle!” schrie er.
Jocelin griff nach den Zügeln seines Pferdes.
„Spart Euch die Mühe, Vater,” sagte er, selbst überrascht von dem schneidenden Hohn in seiner Stimme.
„Ihr missachtet die Schlüsselgewalt der Kirche!” erboste sich der Dominikaner. „Ihr werdet in der Hölle brennen!”
Die ersten Schafe sammelten sich um die Tränke. Jocelin zog Bruder Guy hinter sich in den Sattel. Auch Louis saß schon auf seinem Pferd. Mit einem Satz waren die Reiter auf dem Weg und galoppierten Richtung Wald.
„Haltet sie auf! Haltet diese Männer auf!” brüllte der ältere Dominikaner den Hirten zu. „Haltet sie, oder ich bringe euch vor den Inquisitor!”
Doch längst waren die Ordensbrüder außer Reichweite.
Voller Sorge ließ Guillaume de Nogaret das herzogliche Palais hinter sich. Der Vikar des Herzogs hatte ihm vertraulich mitgeteilt, was er von den bei ihm inhaftierten ehemaligen Templern erfahren hatte: der Komtur der freien Templer war in der Stadt. Und nicht nur das, offenbar ging dieser widerliche Bastard
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