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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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in den Verliesen ein- und aus. Was die Gefangenen betraf, so bereiteten sie Guillaume de Nogaret kein Kopfzerbrechen. Seine Leute würden sich noch einmal eingehend mit ihnen befassen. Das würde ihnen die Gedanken an eine eventuelle Verteidigung rasch austreiben. Aber dieses Komturs der freien Templer musste er habhaft werden! Auf eine gewisse Weise faszinierte den Siegelbewahrer die Persönlichkeit des unbekannten Ordensbruders. Der Beschreibung nach war es derselbe, der rings um Paris schon seit über einem Jahr für Unruhe sorgte. Wenn es stimmte, was er vor der Abreise in Paris gehört hatte, war auch Floyran von den Templern umgebracht worden... Damit hatten ihm die verfluchten Ordensbrüder auch noch einen guten Dienst erwiesen!  
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    Die Mitglieder der päpstlichen Kommission und ihre Notare nahmen im Kapitelsaal der Abtei  Platz. Kardinal Thomas, der Dominikaner, bedachte Berengar Fredoli mit einem lauernden Blick. Es hieß, der ehemalige Erzbischof von Bordeaux trüge die Hauptverantwortung, dass ihre Sitzung bis heute vertagt worden war... Geheimverhandlungen mit dem Papst hatte es angeblich gegeben...
    Zwei königliche Gardisten brachten den  Zeugen, einen etwa vierzigjährigen Ordensbruder, herein. Als er näher kam, merkten die Kommissare, dass er stark hinkte. Berengar Fredoli ordnete an, einen Stuhl für den Zeugen zu bringen. Dann nahm er die Vereidigung vor. Über einem Evangeliar schwor der Zeuge, die volle Wahrheit zu sagen, was seine eigene Person, die anderen Brüder und den gesamten Orden betreffe.
    Kardinal Berengar hatte beschlossen, dem Zeugen nicht einfach sein bereits abgelegtes Geständnis zur Bestätigung vorzulesen wie es eigentlich geplant gewesen war. Er würde ihn nach allen Anklageartikeln erneut befragen.
    „Wie ist Euer Name, und in welchem Ordenshaus habt Ihr gedient?”
    „Isnard de Montreal. Ich bin... war Komtur von Carcassonne,” antwortete er zögernd und ließ den Blick über die Kommissare schweifen. Sollte er seine Geständnisse widerrufen wie jener Komtur Jocelin es wollte?
    Berengar Fredoli öffnete das Pergament, das sein Notar ihm gereicht hatte. Es war das Protokoll des ersten Verhörs des Zeugen.
    „Wer hat Euch aufgenommen, Bruder?” fragte er.
    Isnard de Montreal erbleichte. Ihm war gesagt worden, er solle nur mit einfachem Ja antworten, um seine früheren Aussagen zu bestätigen. Was sollte das nun? Stellte man ihm eine Falle?
    „Bruder Ponce, der Provinzmeister der Provence.” erwiderte er zögernd.
    „Hier in Eurer ersten Aussage nennt Ihr noch einige Brüder als Anwesende.”
    „Ein Priester  war noch dabei.”
    „Wie war der Name dieses Priesters?”
    „Ich weiß nicht... es war ein Spanier... er ist bald darauf gestorben.” Wieder wanderten die Augen des Zeugen unruhig durch den Saal.
    „Wie seid Ihr aufgenommen worden?” fuhr der Kardinal mit dem Verhör fort.
    „Ich habe vor dem Altar gekniet und Keuschheit, Armut und Gehorsam gelobt.” Heilige Mutter Gottes, wenn er sich doch nur erinnern könnte, was er damals gestanden hatte!
    „Und nach Eurer Profess?”
    „Ich wurde eingekleidet. Man gab mir den weißen Mantel und ich küsste das Kreuz...”
    Kardinal Berengar sah in das vor ihm liegende Protokoll. In seiner ersten Aussage hatte der Zeuge bekannt, auf das Kreuz des Ordensmantels gespuckt und dabei Christus verleugnet zu haben. „Was geschah, nachdem Ihr das Kreuz geküsst hattet?”
    „Ich… ich wurde in eine Kammer geführt. Dort holte der Meister ein Bild aus einem Schrein... ein kleines goldenes Bild...
    mit zwei Gesichtern...”
    Berengar Fredoli senkte den Blick auf das Protokoll. Wahrhaftig, einige Monate zuvor hatte der Zeuge von einem großen, schwarzen hässlichen Götzenbild gesprochen!
    „Auf dem Bild waren also zwei Gesichter. War es ein Heiligenbild?”
    „Ich weiß nicht... ich glaube nicht... ich erinnere mich nicht. Es war so dunkel, ich konnte nichts Genaues sehen...”
    „Ein goldenes Bild also. Und was verlangte der Meister dann von Euch?”
    „Ich sollte es anbeten und küssen... und Christus verleugnen.”
    Kardinal Berengar musste an den Brief denken, den Papst Clemens ihm gezeigt hatte. Jener Brief, der von Folterung und Erpressung der  Zeugen berichtete, und der angeblich von in Freiheit befindlichen Templern verfasst worden war. Sollte wahr sein, was sie angeklagt hatten? Zu Beginn des Verhörs hatte Kardinal Berengar die zweite Zeugenbefragung für unnötigen Zeitaufwand gehalten. Nun kamen ihm

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