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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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ist schon seit Monaten in Gefangenschaft. - Die Nachrichten der Anderen sind nicht besser, nehme ich an.”
    „Einige Bischöfe im Reich schützen die Brüder, so gut sie können. Venedig war auf unserer Seite, zumindest bis zum letzten Edikt des Papstes. Aber, verdammt, König Philipp würgt unsere Helfer, bis sie Wachs sind in seiner Hand – oder tot.”
    „Was ist mit England?”
    Jean zögerte mit der Antwort.
    „Bruder Louis ist voriges Jahr mit zwei Brüdern nach England aufgebrochen. Die letzte Nachricht hat er uns im Dezember über Bruder Ranulf geschickt. Dann haben wir nichts mehr von ihm gehört.”
    „Louis... Er hatte solche Angst, wieder eingekerkert zu werden! Mein Gott!”
    „Im März verlautete, die Kommission in Paris wolle auch Entlastungszeugen anhören. Seither warten wir auf eine offizielle Vorladung“, fuhr Jean fort. “Bis jetzt ist noch nichts geschehen. Aber das ist auch kein Wunder! In Paris haben sich die Kommissare versammelt, unter den Augen König Philipps! Ausgerechnet Paris! Und die Leute Seiner Majestät haben freien Zugang zu den Kerkern, nicht nur in Paris, nein, in ganz Frankreich! Die Prälaten haben Sondervollmachten erhalten, jeden Templer den sie ergreifen, sofort vor Gericht zu stellen, egal aus welcher Diözese. In allem hat Papst Clemens den  Wünschen des Königs entsprochen, damit er ungehindert nach Avignon ziehen konnte! Jetzt ist Papst Clemens frei, aber er hat sich seine Freiheit mit unseren letzten Rechten erkauft!“
    „Der Antichrist regiert...“ murmelte Jocelin.
    „Der Antichrist und sein Diener!” lachte Bruder Jean bitter. „Das ganze Land ist voller Spitzel Nogarets! Und Ihr seid es, den sie vor allen anderen suchen, Sire Jocelin! Ehe Papst Clemens den Bann über unsere Helfer verhängte, hatten wir Kontakt zu Bischof Thibald von Toulouse. Er zeigte mir eines der Schreiben, die Nogaret in jede Stadt senden lässt! Fünfhundert Goldflorin für denjenigen, der ihm den Anführer der flüchtigen Templer bringt, und...“
    Seine Stimme senkte sich angewidert von dem, was Guillaume de Nogaret erwartete:
    „... wenn es ein Ordensbruder ist, der Euch verrät, Freiheit und eine Leibrente für ihn! - Dabei würden wir eher sterben, als Euch zu verraten! Elende Missgeburten, wer das glaubt! Ihr denkt doch nicht etwa, dass einer von uns -?“
    Jocelin schüttelte den Kopf. Nein, er fürchtete keinen Verrat der Brüder. Er fürchtete seinen eigenen; den Judas, der in ihm war, in ihm nagte und lästerte… Zornig blockte er die aufsteigenden finsteren Gedanken ab und fragte: „Wie seid Ihr über den Winter gekommen, Jean?”
    „Gut, dank der Gräfin von Montfort, und ein paar unserer Brüder, die sich in der Umgegend verdingen konnten. Aber vor allem Ghislaine! Sie hat uns mit allem Nötigen versorgt, auch noch nach dem päpstlichen Bann gegen unsere Helfer. Sie ist eine großartige Frau, Sire Jocelin! Eine Frau, für die ich Gott und die Welt verlassen würde, wenn sie das mindeste Interesse an mir zeigen würde!“ Jean schob das verfilzte Rankenwerk einer Brombeerhecke zur Seite und öffnete dem Reiter neben ihm den Weg.
    „Was redet Ihr da?!“
    Jocelins Blick wischte das Lächeln aus dem Gesicht des anderen, mit dem er so verzweifelt versuchte, der Tristesse der letzten Wochen zu begegnen. „Nur ein Scherz“, murmelte er mit einem Seufzer, „nur ein verdammter Scherz! Glaubt mir, Jocelin, wir haben wirklich andere Dinge im Kopf, als um die Gunst einer schönen Frau zu konkurrieren! Und außerdem – ach vergesst es ganz einfach!“
    „Was ‚außerdem’?“
    „Nichts, es gibt nichts weiter.“
    „Wir haben ALLE ewige Keuschheit gelobt!” entgegnete Jocelin barsch. „Vergesst das nicht!“ Er spornte sein Pferd an und preschte voraus.
    „Mein Gott, Gelübde!” dachte Jean zornig und marschierte seinem Komtur hinterher. Seit die Verfolgung begonnen hatte, waren sie gezwungen, gegen das zu verstoßen, was sie einst gelobt hatte. Es war ihnen gar keine Wahl geblieben. Und wenn der Orden diesen Sturm überlebte, wer konnte dann noch fragen, wer wann und wie ein Gelübde gebrochen hatte?! Gelübde, ha! König Philipp hat gelobt, die Kirche zu beschützen, und Papst Clemens hat gelobt, unseren Orden zu schützen! Die kümmern sich einen Dreck um die Strafe Gottes!
    Die halbe Nacht hindurch hatten die Templer nach Jocelins unerwarteter Rückkehr zusammengesessen und die Ereignisse der letzten Monate besprochen. Dabei hatte Jocelin bestürzt und

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