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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Zweifel. Entweder der Zeuge hatte bei seiner ersten Aussage gelogen, oder er log jetzt - oder er log überhaupt.
    „Bruder Isnard, seid Ihr gefoltert worden vor Eurer Aussage?”
    „Ja. Sehr!” Der Ordensbruder zeigte auf sein Bein und hob dann die linke Hand, an der drei Finger fehlten. Die Kommissare waren betroffen. Aber Berengar Fredoli wusste, dass die auch noch so deutlichen Spuren der Folter keinen Beweis für die Unwahrheit der gestandenen Dinge darstellten. Das Inquisitionsrecht verlangte eine genaue Antwort des Zeugen.
    „Bruder Isnard, ich frage Euch eingedenk des Eides, den Ihr vor uns geleistet habt, waren diese Folterungen der Grund für Euer Geständnis vor dem Inquisitor?”
    Nun schwieg der Ordensbruder erschrocken. Er war mehrmals gemahnt worden, die Folter auf keinen Fall zu erwähnen. Was würde man nun mit ihm machen?!
    „Ich habe... nicht wegen der Folter gestanden.” stammelte er nach einer Weile. „Sires, ich... ich bin nur ein armer Mann.” Schluchzend fiel er auf die Knie. „Glaubt mir! O Gott, glaubt mir, ich habe nur gestanden, weil es die Wahrheit war!”
    Kardinal Berengar befahl, das Häufchen Elend zu entlassen.
    Fünf Tage lang führte die Kommission ihre Untersuchung fort. Und Kaplan Helias, der Bruder aus Provins, kopierte Stunde um Stunde die Geständnisse seiner Brüder für das offizielle Register. Das Wissen um das Leid hinter diesen kalten Worten quälte ihn. Wenn er den Abend zu seinen Brüdern zurückkehrte, war er fast krank. Jocelin wollte ihn schließlich des übernommenen Amtes entbinden, doch da weigerte er sich. Einmal war er von den Inquisitoren besiegt worden. Nicht wieder!
    Als die Kommission ihre Untersuchung beendet hatte, hatten Kardinal Berengars Zweifel auch die übrigen Kommissionsmitglieder erfasst. Die Aussagen, die sie gesammelt hatten, waren teilweise von einer haarsträubenden Unglaubwürdigkeit. Das einheitliche Bild einer Ketzerei, wie Berengar Fredoli sie gewohnt war zu verfolgen, existierte nicht! Aber alle Zeugen hatten unter Eid ausgesagt, ohne jeglichen Zwang.
    Würden sie bei der öffentlichen Anhörung vor dem Papst erklären, bei ihren Geständnissen bleiben zu wollen? Dann musste Clemens sie als reuige Bekenner ihrer Schuld von der Exkommunikation lösen - und ein Verfahren gegen ihren Orden einleiten.
    Die öffentliche Vorführung der Zeugen fand auf dem Kathedralplatz statt. König Philipp hatte es so gewünscht, damit möglichst viel Volk dem unwürdigen Schauspiel beiwohnen konnte. Seine Majestät saß zu Füßen des päpstlichen Thrones im Portal der Kathedrale. Jeder sollte sehen, dass er ein treuer Sohn der Kirche war! Unterhalb der Treppe hatten die Mitglieder der Kardinalskommission ihre Richterstühle eingenommen. Ihnen gegenüber, umschlossen von einem Halbkreis königlicher Gardisten, standen die gefangenen Templer. Die meisten von ihnen trugen kein Ordensgewand mehr, zum Zeichen, dass sie die Schuld ihres Ordens anerkannt und sich von ihm losgesagt hatten.
    Noch einmal las ein Notar die gegen den Tempel erhobenen Anklagen vor und fasste die Geständnisse zusammen.
    Unter den Arkaden des bischöflichen Palais verfolgten Jocelin und seine Gefährten das Geschehen. Stumm beteten sie um Kraft für ihre gefangenen Brüder.
    Kardinal Berengar stellte die entscheidenden Fragen an die Zeugen: „Seid Ihr durch Druck, Versprechungen, Bestechung, Geschenke oder Furcht zu Euren Aussagen gebracht worden?“
    „Nein, wir haben um der Wahrheit willen gestanden.“
    Einer nach dem anderen knieten die Zeugen vor dem Papst nieder.
    „Vergebt uns, Heiliger Vater! Vergebt uns unsere Schuld!”
    Jocelin schloss ihn ohnmächtiger Verzweiflung die Augen.
    Nur eine Handvoll Templer stand noch aufrecht vor der Kommission. Louis erkannte den ehemaligen Komtur von Carcassonne.
    „Nun, habt Ihr noch etwas zu sagen?” klang die kühle, klare Stimme König Philipps über den Platz, und sein eisiger Blick bohrte sich in die Gesichter der Zeugen.
    Komtur Isnard de Montreal schüttelte den Kopf, dann bekreuzigte er sich und kniete ebenfalls nieder.
    „Habt keine Furcht,” wandte sich nun Papst Clemens an die Ordensbrüder. „Die Kirche ist gnädig und barmherzig. Wenn ihr noch etwas verschwiegen habt, dann bekennt es jetzt, und man wird euch gnädig sein.”
    „Vergebt uns,” war die einzige Antwort, die er erhielt.
    „Kommt, Messires. Hier haben wir nichts mehr verloren,” sagte Jocelin enttäuscht und lenkte sein Pferd die Straße hinauf. Er

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