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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Lisa starrte ihm nach. Was war jetzt wieder in ihn gefahren? Auf dem Heimweg von der Plantage war sie fast sicher gewesen, dass er trotz seiner Begeisterung für die javanische Blumenwelt die Gelegenheit nutzen würde, mit der heimkehrenden Anne-Kathrin nach Hause zu fahren. Dass er bleiben wollte, damit hatte sie nicht gerechnet. Und schon gar nicht damit, dass er offenbar irgendeine List ausgebrütet hatte. Wozu sonst ein Rechtsanwalt? Und was meinte er mit diesem kryptischen Nachsatz: Vielleicht wird es meinem Vater noch leidtun?
    Pahti kehrte auf leisen Sohlen zurück. »Mevrouw, der gnädige Herr lässt ausrichten, er wird jetzt ein Bad nehmen und dann früh schlafen gehen, und Sie möchten ihm Gesellschaft leisten.«
    »Sag ihm, ich komme.«
    Im Hotel des Indes verkehrten Europäer, deshalb war auch das Badezimmer von europäischer Art. Und da es reiche Europäer waren, die hier badeten, bot das Hotel allen nur erdenkbaren Luxus auf diesem Gebiet. Die Badewanne stand nicht einfach neben anderen Möbelstücken in einem Zimmer, wie das auch in besseren europäischen Haushalten durchaus üblich war, sondern in einem eigenen, hübsch gefliesten und mit Mahagoni getäfelten Raum. Es gab einen Gasboiler und – das Neueste vom Neuen – fließendes Wasser. Anna Lisa musste zugeben, dass man zumindest in Weltevreden auf der Höhe der Zeit war.
    Sie atmete tief durch, als sie eintrat und Simeon, in seinen Hausanzug gehüllt, auf dem Sofa sitzend vorfand. Sein Lächeln machte ihr deutlich, dass er mehr als nur die nötigen Handreichungen für einen körperlich beeinträchtigten Mann erwartete. In ihr keimte der Verdacht, dass er irgendetwas eingenommen hatte, sei es auf Anweisung des Arztes oder aus eigenem Antrieb, so drastisch war der Unterschied zu seiner jämmerlichen Apathie am Morgen. Die Kretek-Zigaretten fielen ihr ein, die der Arzt ihm empfohlen hatte. Vielleicht hatte er davon geraucht.
    Andererseits – warum sollte er nicht fröhlich sein? Die Plantage hatte ihm nichts bedeutet, Wolkins war in seinen Augen (und nach der Absicht seines Vaters) ein besserer Gefängniswärter gewesen. Er war weit weg von zu Hause, niemand hatte ihm etwas zu sagen, und die Chancen standen gut, dass man ihm als Vanderheydens Sohn alles Geld der Plantage aushändigen würde.
    In dem gelb gekachelten Raum stand auf vier Löwenfüßen eine elegant geschwungene, grau und weiß lackierte Badewanne, zusätzlich gab es einen Waschtisch aus braunem Edelholz mit marmornem Becken, ein Bidet und einen diskret hinter einer halben Wand verborgenen Abort. Am Wannenrand reihten sich Gefäße aus bemaltem Porzellan, die köstlich duftendes Kewda-Öl enthielten, ein Produkt jener kräftig aromatischen Mengkuangpflanze mit den kleinen, grünen Stachelfrüchten, die sie im Garten des Hotel Schuit kennengelernt hatte.
    Pahti wuselte herum, legte Handtücher aus, überprüfte das in die Wanne strömende Wasser, ob es nicht zu heiß und nicht zu kalt war, breitete ein grobes Tuch auf den Boden, damit niemand beim Verlassen der Wanne auf den Fliesen ausrutschte. Er half Simeon – der jetzt zusätzlich durch seine eingegipste Hand behindert war – aus dem Morgenmantel und dem leichten Hausanzug, den er darunter trug, und beförderte ihn mit der Geschicklichkeit eines gelernten Krankenpflegers in die halb volle Wanne. Simeon ließ ein lautes, wollüstiges Stöhnen hören, als das warme Wasser über seinem nackten Körper zusammenschlug. Pahti leerte einen Löffel voll von dem Kewda-Öl ins Badewasser. Ein berauschender Duft stieg auf, als hätte sich das Badezimmer plötzlich mit Blumenbouquets gefüllt.
    »Hoffentlich gibt es hier im Hotel keine Schlangen«, bemerkte Simeon, der sich stöhnend vor Behagen in der Wanne ausstreckte. »Pahti hat mir nämlich gesagt, dass Kewda-Öl gegen Rheumatismus und Kopfschmerzen hilft, aber man muss aufpassen, denn der Geruch der Pflanze lockt Schlangen an.«
    »Brrr.« Anna Lisa, die sich auf dem Sofa zusammengekuschelt hatte, zog rasch die nackten Füße unter den Rock. »Schlangen! Pahti, gibt es wirklich Schlangen? Giftige?«
    Der Javaner nickte. »Leider ja, Mevrouw, sogar hier in der Stadt. Und es ist gut, wenn Sie niemals Ihre Schuhe anziehen, ohne sie zuvor ausgeschüttelt zu haben, denn Skorpione sitzen gerne in warmen, dunklen Höhlen. Sie verkriechen sich während der Nacht darin, und wenn man morgens den nackten Fuß in den Schuh steckt …«
    »Herrje! Hör auf! Gibt es noch mehr solch

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