Die Traenen des Mangrovenbaums
Gift gestorben, sagt man«, fuhr Godfrid fort. »Eine Frau gab es ihm, die Mandelklöße verteilte. Er raste und schäumte wie ein tollwütiger Hund, dann brach er zusammen und starb. Was kann das für ein Gift gewesen sein, das ihn auf diese Weise tötete?«
»Was kümmert dich das?«, gab sie ungeduldig zurück. »Für dich ist nur wichtig, dass er tot ist, alles andere lass meine Sorge sein.«
Godfrid trank das Glas mit einem Zug aus und füllte es sich zum dritten Mal. In ruhigem, fast emotionslosem Ton fragte er: »Dann hattest du also die Hand im Spiel? Ich dachte es mir. Du hast eine deiner Kreaturen auf dieses Fest geschickt, um ihn zu vergiften, während du selbst in aller Unschuld hier in deinem Haus gesessen bist – Seht an, ich kann es nicht gewesen sein! Ich war in Batavia, als er oben auf Zeebrugges Gut starb!«
»Hätte ich vielleicht höchstpersönlich hingehen sollen?«, gab sie schnippisch zurück. »Er kennt mich, er würde mir nicht einmal die Hand geben, geschweige denn einen Bissen aus meiner Hand annehmen. Aber sag mir eines, Godfrid: Kann es sein, dass die Deutsche schwanger ist? Das wäre das Einzige, was noch zwischen dir und der Firma steht. Wenn sie ein Kind bekommt …«
»Würdest du sie auch vergiften, ich weiß.« Er stellte mit einer harten Bewegung das Glas ab. Dann schnellte er herum wie eine Stahlfeder, die keine Gewalt mehr niederdrücken kann. »Frau!«, schrie er sie an, so überwältigt von Abscheu und Zorn, dass er nicht darauf achtete, ob die Diener ihn hörten. »Was für eine Teufelin bist du? Es war entsetzlich, mit anzusehen, wie er krampfte und schäumte und Blut spie, als er sich beinahe die Zunge abbiss …«
»Es ist auch nicht schön, mit anzusehen, wenn einem Huhn der Kopf abgehackt wird, trotzdem lässt du es dir gut schmecken, wenn es erst einmal gebraten auf dem Teller liegt. Dein Huhn ist gebraten, Godfrid. Und du brauchst nichts zu befürchten, niemand wird uns verdächtigen. Ich habe mit Bedacht ein Gift gewählt, das jeden Verdacht von uns ablenken muss. Man nennt es Rangdas Zunge 4 . Es stammt aus den Blättern einer Pflanze, und es geschieht immer wieder, dass diese tödlichen Blätter von Unkundigen gepflückt und in die Speisen gemischt werden, wie es in Deutschland mit der Herbstzeitlose und dem Maiglöckchen geschieht. Du hast …«
Mit einem Satz war er bei ihr, packte sie an den Schultern und schüttelte sie, dass der geblümte Schal von ihren Schultern fiel und die falschen Locken sich aus den Haarnadeln lösten. »Du verfluchte alte Hexe!«, brüllte er sie an. »Wollte ich jemals etwas mit Gift und Mord zu tun haben?«
»Es kann dir ja nichts geschehen!«, kreischte sie, erschrocken über seine plötzliche Wut. »Du bist in Sicherheit!«
»In Sicherheit?«, schrie er zurück. »Mein Leben lang werde ich den Anblick nicht vergessen! Und die kleine Frau, wie sie wimmerte und weinte und ihn mit Küssen bedeckte …«
Delphine war so erstaunt, dass sie den harten Griff um ihre Schultern ebenso vergaß wie ihren Schrecken über seine jählings auflodernde Wut. »Was ist denn mit dir?«, fragte sie, ehrlich verdutzt. »Seit wann bist du so zimperlich? Wimmerte und weinte … ihre eigene Schuld, wenn sie an der Missgeburt einen Narren gefressen hat! Wirklich, Godfrid, ich kenne dich nicht wieder!«
»Du hast mich nie gekannt«, erwiderte er kalt. »Was du in mir gesehen hast, war eine von dir gefertigte Marionette mit deiner eigenen schwarzen Seele darin. Ein Stück von dir, aufgebläht zur Größe eines Mannes. Ist es dir nie durch den Kopf gegangen, dass ich anders sein könnte als du? Dass es mich schaudert bei dem Gedanken, heimtückisch einen Menschen zu töten – und nicht nur irgendeinen Menschen, sondern den Sohn meines Vaters?«
»Du bist von Sinnen.« Delphine war fassungslos.
»Nein, Madame.« Er merkte, wie sie zusammenzuckte, als er sie Madame nannte – nicht Mutter. »Du bist diejenige, die von Sinnen ist. Ich habe dich mehr als einmal gewarnt. Ich habe dir gesagt, dass ich Simeon und seine Frau vor dir gewarnt habe.«
»Aber du wolltest doch immer die Firma – das schöne Haus – das Geld …« Sie wich vor ihm zurück, verwirrt und erschrocken über die Unvernunft, mit der er – so schien es ihr – auf ihren erfolgreichen Anschlag reagierte.
»Gewiss wollte ich das alles!«, stieß er heiser hervor. »Ich will es immer noch. Aber nicht um den Preis, dass ein Leben lang Blut an meinen Händen klebt. Mein
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