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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Godfrid, würde er sich bald wieder aufheitern.
    Mitten in ihre Erleichterung schlich sich jedoch ein ganz anderer Gedanke. Sie selbst war nie in irgendeiner Weise von etwas so begeistert gewesen wie Simeon von seinen Herbarien. Wenn er sie nun gefragt hätte: »Und was tun Sie am liebsten?« –, was hätte sie ihm da antworten sollen? Sie tat einfach immer das, was gerade angebracht und erforderlich war. Ihre Pflichten waren wenige und wurden nicht ernst genommen, da eine altgediente, überaus tüchtige Wirtschafterin dem Haushalt seit dem Tod der Hausfrau vorstand. Und in ihrer Freizeit? Sie traf sich mit ihren Freundinnen zu Gartenpicknicks im Sommer und Schlittenfahrten im Winter, las illustrierte Zeitungen, stickte, machte Familienbesuche bei entfernteren Onkeln und Tanten, bei denen sie sich bei Tee und Gebäck langweilte. Sie kaufte ein, ging sonntags in die Kirche und nahm als unbedeutender Aufputz an gesellschaftlichen Ereignissen teil. Ihr Leben unterschied sich ganz beträchtlich von dem eines Mannes, der offenbar einen zähen Kampf täglicher Streitereien darum kämpfte, dass er tun konnte, was er tun wollte.
    Die Worte schlüpften ihr ganz spontan heraus. »Wie bewundernswert von Ihnen!«
    »Bitte?«
    Sie wurde puterrot vor Verlegenheit, aber da sie nun einmal A gesagt hatte, musste sie auch B sagen. »Ich meine, ich habe nie so viel Willensstärke aufgebracht, und ich habe mich auch noch nie so intensiv für irgendetwas interessiert. Es kostet Sie doch sicher sehr viel Kraft und Energie, sich gegen Ihren Vater durchzusetzen und Ihrem eigenen Weg zu folgen.«
    »Da haben Sie recht. Jetzt ist es nicht mehr so schlimm; er hat mehr oder minder resigniert, vor allem, da ja Godfrid sofort herbeispringt, wenn ich nicht auf den ersten Ruf komme. Aber als ich ein Junge war, da hat er mich regelrecht gequält. Was musste ich mir an Hohn und Spott anhören! Als ich elf war, schenkte er mir zum Geburtstag vor den Augen der ganzen Familie einen Hut. Ich machte die hübsche Schachtel auf, die er mir reichte, und darin steckte dieser Strohhut mit blauem Voile-Schleier und einem Strauß künstlicher Veilchen daran. ›Damit unserem kleinen Fräulein beim Blumenpflücken die Sonne nicht auf den Kopf brennt‹, sagte er dazu.«
    »Wie niederträchtig!«, rief Anna Lisa ehrlich erzürnt aus. Ihre Brüder hatten sie wohl auch manchmal geneckt, aber keiner von ihnen wäre jemals auf den boshaften Gedanken gekommen, sie mit einem Geschenk ernstlich zu kränken.
    »Er nannte mich oft kleines Blumenfräulein, auch vor anderen Leuten. Zum Glück wurde ihm später bewusst, dass er damit nicht nur mich lächerlich machte, sondern auch sich selber. Sie können sich vorstellen, dass man in Kreisen reicher Handelsherren keine besonders hohe Meinung von einem Mann hat, der einen Kaffeestrauch nicht höher achtet als eine Orchidee.«
    »Das kann ich mir allerdings vorstellen.«
    Plötzlich lachten sie beide.
    Dann jedoch wechselte Simeons seelisches Aprilwetter wieder, der Sonnenschein in seinen Augen erlosch, sein Gesicht verfinsterte sich. »Das ist mit ein Grund, warum es ihm wichtig ist, dass ich heirate. Und zwar nicht irgendwen und irgendwie im Zwielicht, sondern mit allem Pomp einer großbürgerlichen Hochzeit in den besten Kreisen. Er will sich damit absichern gegen das Gerede … Er selbst hat es mir ja ins Gesicht gesagt: Nur ein unnatürlicher Mann könnte sich damit beschäftigen, Blumen zu pflücken und zu zeichnen.«
    »Ich verstehe«, sagte Anna Lisa, die aber gar nichts verstand, weil sie viel zu unerfahren war. »Nun, dann ist es ja gut, dass Sie mich haben. Papa plant eine Hochzeit mit so viel Pomp, als wäre er der Kaiser von China und ich seine Tochter.« Wieder griff sie spontan nach seiner Hand. Diesmal ließ Tietjens, die ihre Lektion gelernt hatte, es ohne Grummeln geschehen.
    Simeon seufzte leise und drückte ihre Finger. Wieder empfand sie die unnatürliche Kühle. Vielleicht war er wirklich von schwacher Gesundheit, und seine Sorge war nicht so unberechtigt, wie sie gedacht hatte. »Ich versichere Ihnen«, sagte er sehr ernst, geradezu feierlich, »dass meine Empfindungen für Frauen ganz … ganz der Norm entsprechen. In dieser Hinsicht werde ich Sie nicht enttäuschen. Verzeihen Sie, dass ich das Thema anspreche; ich will Ihnen einfach nur die Sicherheit geben …« Seine Stimme verebbte.
    »Ja gewiss«, stammelte Anna Lisa, in deren Kopf sich die abscheuliche Erinnerung an den pissenden Soldaten

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