Die Traenen des Mangrovenbaums
in eine Bluse und Hose aus grauer Seide gekleidet, mit einer goldgewirkten Schärpe um die Mitte, und hatte einen kostbaren Sarong um die Hüften gewickelt, das anmutige Kleidungsstück, das Männer und Frauen gleichermaßen zu tragen pflegten.
Madame Delphine registrierte, dass er noch jung war, kaum Mitte zwanzig, und sehr attraktiv, aber das interessierte sie nicht. Was Männer anging, war die Französin ein Aasfresser. Die Jungen, Starken und Gesunden waren nicht ihre Beute. Ihr lag an Männern, denen es bereits anstand, sich Gedanken über ihr Testament zu machen – und natürlich solchen, die auch etwas zu vermachen hatten.
Raharjo begrüßte sie mit einer knappen Verbeugung nach europäischer Sitte, die mehr spöttische Herablassung als Respekt ausdrückte, und ließ sich ihr gegenüber in dem zweiten, aus Rattan geflochtenen Sessel nieder. Ohne nach Erlaubnis zu fragen, zog er ein silbernes Etui aus der Tasche und zündete einen grauen Zigarillo an dem Öllicht an. Sofort stieg ein beizender Geruch in die abgestandene Luft – der unverkennbare Geruch von Cannabis, gemischt mit einem süßlich gewürzten Tabak. Der Jüngling tat ein paar genüssliche Züge, dann lehnte er sich in den Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. Madame Delphine machte keine Bemerkung, aber eine schwache Röte stieg in ihre Wangen, und sie sog zischend den Atem ein. Sie wusste nur zu gut, dass er ihr damit seine Verachtung zeigte. Jemand die Fußsohlen zuzuwenden, den schmutzigsten Teil des Körpers in einer Gesellschaft, in der die meisten Leute barfuß gingen, war eine Unverschämtheit, als hätte ihr in Europa ein Gesprächspartner den nackten Hintern präsentiert. Dennoch schluckte sie ihren Ärger hinunter. Sie brauchte keinen höflichen, sondern einen nützlichen Mann.
»Nun, Mevrouw?«, fragte er zwischen zwei Zügen an der duftenden Zigarette. »Sie kommen mit einem Anliegen zu mir?« Er sprach fließend Holländisch, mit einem weichen, psalmodierenden Anklang – der Sprachmelodie des Malayalam.
Delphine legte die Karten auf den Tisch. Er lauschte aufmerksam ihrem Bericht, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengezogen, während der Rauch seiner indischen Zigarette seine Züge verschleierte.
»Mein Sohn ist zu weich, um einen großen Wurf zu wagen«, sagte sie verächtlich. »Er meint, er kann alles erreichen, wenn er sich einfach als der bessere Sohn erweist, aber das hat er längst getan, und noch immer kann der Alte sich nicht entscheiden, ihm zu geben, was ihm zusteht. Solange Simeon lebt, wird Vanderheyden niemals Vernunft annehmen. Ich weiß, dass es ihm das Herz bricht, nur daran zu denken, was Simeon mit seiner Firma anstellen wird, wenn er sie einmal erbt – wahrscheinlich wird er alle Plantagen in Blumengärtchen umwandeln. Trotzdem … Bartimäus ist schwach wie alle Männer. Weder er noch Godfrid werden etwas unternehmen. Es bleibt an mir hängen.«
Herr Raharjo neigte den Kopf zum Zeichen, dass er verstanden hatte. »Und Sie wünschen, Mevrouw, dass ich mich als starker Mann erweise?«
Die Dame zuckte die Achseln. »Ihnen kann es doch gleich sein. Ich weiß, dass Sie Verbindung zu den Rebellen unterhalten. Das Blut Dutzender Holländer klebt an Ihren Händen.«
Das maskenhafte Lächeln auf dem Gesicht des Jünglings blieb unverändert. »Wäre dem so, Mevrouw, verfügten Sie über ein für mich sehr gefährliches Wissen, und ich müsste Sie zum Schweigen bringen.«
»Sie werden nichts dergleichen tun. Ihre Rebellion kümmert mich nicht so viel.« Sie hielt Daumen und Zeigefinger so knapp aneinander, dass sich die langen Fingernägel berührten. »Mich interessiert nur, dass Ihre Leute Holländer erschießen. Simeon Vanderheyden ist ein Holländer. Also, warum erschießen Sie ihn nicht? Auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an, und Sie könnten meines Dankes gewiss sein. Ich bin reich. Ich verfüge über eine Menge Einfluss. Falls Ihre Leute in Schwierigkeiten geraten, könnte ich ihnen heraushelfen.«
»Da Sie über so viele Möglichkeiten verfügen, wäre es nicht einfacher, für ein paar Gulden irgendeinen holländischen Schurken zu dingen, damit er Ihnen den Burschen vom Hals schafft?«
»Nein. Denken Sie nach! Was glauben Sie wohl, wen man als Erstes verdächtigen würde, wenn irgendein zerlumpter Meuchelmörder Simeon aus dem Weg räumt? Mich natürlich und Godfrid. Es muss eindeutig ein politisches Attentat sein.« Sie öffnete ihre Tasche und stellte mit ganz
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