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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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kenne ich das.« Unter ihren Toilettengegenständen befand sich ein solcher grauweißer Stein an einer Kordel. Zu Hause hatte Mette damit ihre Füße abgerieben. »Aber wenn es ein Stein ist, wieso schwimmt es dann auf dem Wasser?«
    »Es heißt zwar so, aber es ist kein Stein.«
    Anna Lisa dachte an Simeons Erzählung von den Kaffeebohnen, die keine Bohnen waren, sondern eigentlich Kaffeekirschen hießen, aber auch mit Kirschen nichts zu tun hatten. Und dieser Bimsstein war gar kein Stein. Warum mussten die Dinge Namen haben, die überhaupt nicht stimmten?
    Dr. Lutter beeilte sich, eine ausführliche Erklärung zu liefern. »Bims ist nichts anderes als Lava, aber Lava, die durch Wasserdampf aufgeschäumt wurde, viele Luftblasen enthält und daher sehr leicht ist. Man findet solche Brocken nach jedem Vulkanausbruch im Wasser. – Aber sehen Sie einmal da drüben! Da haben Sie ein gutes Beispiel dafür, was ich mit den Vulkanen in der Schifffahrtsrinne meinte.«
    Er deutete auf ein paar winzige Inseln, die verstreut zwischen Küste und Fahrrinne lagen. »Warten Sie ein wenig! Wir fahren in diese Richtung, wenn wir näher kommen, werden Sie etwas Interessantes zu sehen bekommen.«
    Als die Anne-Kathrin sich allmählich der Inselgruppe näherte, fiel Anna Lisa auf, dass die Luft immer trüber wurde wie an einem nebligen Herbsttag und ein schwacher Brandgeruch darin schwebte. Die Inseln waren so klein, dass man sicher keine Stunde gebraucht hätte, um zu Fuß ihren ganzen Umkreis abzuschreiten, und hatten seltsame Formen wie kleine plumpe Häuser mit riesigen Schloten auf dem Dach. Sie waren erst kürzlich von heftigen Bränden verwüstet worden. Überall häuften sich versengte und verkohlte Stämme, hier und da ragten noch ein paar tödlich verwundete Baumriesen auf, klägliche Überreste des undurchdringlichen Urwaldes, der einst das Gelände überzogen hatte. Qualm stieg auf wie aus Öfen, aus zahlreichen Erdspalten – Dr. Lutter nannte sie Fumarolen – strömten wie Nebelschleier schweflige Gase.
    Anna Lisa starrte atemlos zu dieser düsteren und öden Landschaft hinüber, die sich als Bild der totalen Zerstörung darbot. Sie hörte nur mit halbem Ohr zu, als Dr. Lutter erklärte, dass glühend heiße Gase eine der schlimmsten Gefahren waren, die von einem Vulkan ausgingen. Er sprach von etwas, das er pyroklastische Ströme nannte – siedende Gemische aus pulverisiertem Gestein, Gas und glühender Lava, die aus dem Schlot des Vulkans ausgestoßen wurden und sich mit Geschwindigkeiten bis zu achthundert Kilometern pro Stunde durch die Luft verbreiteten. Sie waren so heiß, dass sie einen Menschen auf der Stelle einäschern konnten, bevor das Opfer überhaupt noch merkte, wie ihm geschah.
    Ein Schauder überlief sie. Was für ein schreckliches Land!
    Sie war froh, dass Simeon in der Kabine geblieben war. Bei seiner empfindlichen Gesundheit hätte er sich womöglich noch eine zusätzliche Krankheit geholt.
    Sie ankerten in Padang, luden Kargo aus und ein und fuhren dann der Meerenge zu, die den Indischen Ozean mit der Javasee und dem Südchinesischen Meer verband. Sie war rund zweihundert Kilometer lang und an ihrer schmalsten Stelle nur siebenundzwanzig Kilometer breit. Vor allem aber war sie gefährlich seicht – im Durchschnitt fünfzig bis fünfundsechzig Meter Wasser unter dem Kiel. Dennoch herrschte enormer Betrieb: Eine endlose Prozession von Schiffen, die mit den unterschiedlichsten Zielen zwischen dem Indischen Ozean und dem Südchinesischen Meer hin und her pendelten. Fünfmal monatlich gingen Dampfer nach Semarang und Surabaya, dreimal nach Singapur, einmal nach Borneo, Makassar und Timor und einmal nach Brisbane im australischen Queensland. Natürlich machte dieses Gedränge die Fahrt noch gefährlicher.
    Am nächsten Tag tauchte rechter Hand eine zweite dunkelgrüne, wild zerklüftete Landmasse auf: Java. Die Küsten rückten näher und näher zusammen, schlossen sich wie die gekrümmten Zangen eines Ungeheuers um das Schiff, bis sie Anjer erreichten, einen wichtigen Hafen für alle Schiffe, die ins Südchinesische Meer unterwegs waren. Nicht nur war Anjer selbst ein reger kleiner Küstenhafen, sondern es war vor allem der erste Ort, an dem die nach Norden fahrenden Schiffe für die Passage nach Batavia Lotsen an Bord nahmen und die nach Süden fahrenden Schiffe die Lotsen absetzten. Zwischen Anjer und Batavia würde die riesige Anne-Kathrin wegen der gefährlichen Untiefen nirgends mehr

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