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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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waren. Deshalb lehrte Hostivit Drahomira
nicht die Kunst des Schwertkampfes. Sie sollte niemals daran zweifeln, dass sie
ohne männlichen Schutz verloren wäre. Jetzt, da unsere Krieger fort sind,
vielleicht alle tot, hat das natürlich üble Folgen für uns. Du bildest
Bäuerinnen und deren Kinder im Umgang mit Waffen aus, hat Kazi mir
erzählt.“    
    „Einer meiner
Krieger ist dafür zuständig", erwiderte Radka. „Er war zu alt, um mit in
den Kampf zu ziehen. Sie machen sich nicht schlecht, aber ich weiß nicht, ob
wir mit ihnen in der Lage wären, einen feindlichen Angriff abzuwehren.“
    Libussa setzte
sich und nahm einen Schluck Met aus dem Krug, den eine Magd ihr gebracht hatte.
„Noch ist kein solcher Feind in unser Land eingefallen. Vielleicht gelang es
wenigstens ein paar von unseren Männern aus dem Fußvolk zu fliehen, auch wenn
ich mir keine Hoffnungen mache, dass einer der Fürsten oder Anführer lebend zu
uns zurückkehren wird. In ein paar Jahren sind aus den hier verbliebenen Jungen
Männer geworden. Manchmal haben auch schon Frauen Feinde verjagt, wenn sie
verzweifelt genug waren. Hast du Neuigkeiten, wie es bei den Polanen und Wilzen
aussieht?“
    Radka
schüttelte den Kopf. „Die Polanen haben nur ein paar Krieger in den Kampf
geschickt. Ich glaube, auch Dragoweill war klug genug, nicht alle seine Männer
für Kroks verrückten Traum zu gefährden. Nur wir sind jetzt in einer üblen
Lage.“
    Libussa
versetzte es einen Stich, dass ihr toter Onkel von Radka in ein schlechtes
Licht gerückt wurde, doch sie musste der Lukaner-Fürstin insgeheim zustimmen.
Kroks Vorgehen war unbedacht gewesen. „Es gibt zunächst andere Dinge zu regeln,
zum Beispiel, was mit dem Gebiet der Lemuzi geschehen wird", wechselte sie
das Thema. „Olga ist tot, Ludmilla hat uns verlassen. Ohne Vojtan und Neklan
gibt es niemanden, der auf Zabrusany Entscheidungen trifft.“
    Radka seufzte.
„Slavoniks Schwester Sylva war Vojtans Gefährtin. Sie hat wohl als Erste einen
Anspruch auf das Land. Doch wie ich schon sagte, das Mädchen scheint mir nicht
besonders klug.“
    „Und würdest du
Vojtan und Neklan als kluge Köpfe bezeichnen?“, fragte Libussa. Dann geschah
etwas Merkwürdiges. Sie begannen beide zu lachen, immer lauter und heftiger,
bis ihnen Tränen über die Wangen liefen. Verwirrt fühlte Libussa, wie Radkas
Arme sie umschlossen und zu erdrücken drohten.
    „Lecho fehlt
mir so sehr", flüsterte die Lukaner-Fürstin. „Das ist, als hätte man mir
ein Körperteil abgetrennt. Vielleicht fand ich bis jetzt keinen Mann, den ich
als Gefährten wollte, weil niemand mir so nahe sein konnte wie mein Bruder. Nun
hängt seine Irina mir heulend am Rockzipfel und ich muss alle Entscheidungen
treffen. Ich danke den Göttern, dass du nicht gestorben bist, Libussa. Was
würde ich allein mit all diesen Klageweibern anfangen?“
    Libussa
befreite sich verlegen aus der Umarmung. Ihr war nicht klar gewesen, wie viele
Menschen ihr Tod unglücklich machen würde. „Lass uns nach diesen Klageweibern
sehen", murmelte sie. „Wir müssen eine Versammlung einberufen.“
     
    Im großen Saal von Zatec hatte
sie erstmals das Fehlen vieler vertrauter Gesichter deutlich vor Augen. Nur
Frauen und ein paar alte Männer saßen versammelt vor ihr, und sie hätte sogar
einiges darum gegeben, Slavoniks selbstgefälliges Gesicht und Neklans mürrische
Miene unter ihnen zu erblicken. Fast schämte sie sich, vor einer Weile noch über
die Lemuzi-Brüder gelacht zu haben.
    „Hast du sie
wirklich sterben gesehen?“, rief ihr eine Stimme zur Begrüßung entgegen.
Slavoniks Mutter, die alte Kroaten-Fürstin, hatte sich erhoben und musterte
Libussa beinahe feindselig, als trage sie die Schuld an der schlechten
Nachricht.
    „Ich sah alle
sterben, die nicht Christen werden wollten.“
    Das Gemurmel
wurde lauter. Es war fast wie früher, bei den Versammlungen auf Chrasten und
Praha.
    „Hast du
gesehen, wie mein Slavonik starb?“, wiederholte die Kroaten-Fürstin beharrlich
ihre Frage. Sie stand starr wie eine steinerne Statue.
    Libussa
schüttelte den Kopf. „Unsere Männer sah ich nicht. Aber sie müssen bei den
anderen Gefangenen gewesen sein. Falls nicht, dann sind sie zum Feind
übergelaufen, und das will ich nicht glauben.“
    „Vielleicht
waren sie schon nicht mehr dort. Sie sind sicher vorher abgezogen",
mischte sich eine junge, hoffnungsvolle Mädchenstimme ein.
    „In diesem Fall
wären sie schon längst hier", meinte Radka

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