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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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fort. „Und einmal, da ... da trafen Männer aus Chrasten
dort ein. Bohumil, der Älteste der Schamanen, du weißt schon, er war der Erste,
den unsere Mutter für diese Aufgabe auswählte, führte sie an. Ich verstehe
nicht, was das bedeuten soll, aber es muss irgendwie mit diesem Jungen
zusammenhängen.“
    Sie musste sehr
gequält geklungen haben, denn Kazi hielt bei ihrer Arbeit inne, was sie so gut
wie nie tat.
    „Du hast den
Wunsch, den Jungen wiederzusehen, das wäre die einfachste Erklärung für diese
Träume. Dann geht es dir wohl wie Thetka mit Sklavonik. Mach es ihr nach und
suche dir andere Männer. Das hilft vielleicht.“
    Libussa
seufzte. „Ich will keinen anderen, verstehst du nicht? Ich fühle mich zu keinem
anderen hingezogen. Nur dieser Junge, der …“
    „Er kann aber
nicht so fühlen wie du“, unterbrach Kazi sie barscher als notwendig, „Sonst
wäre er doch schon längst mit Geschenken beladen hier aufgetaucht und würde um
dich werben. Warum auch nicht? Du bist neben Thetka die beste Partie in unseren
Ländern.“
    Sie streichelte
dem Kater noch einmal über den Kopf und ließ ihn dann laufen. Das Gespräch
schien für sie beendet, doch Libussa setzte nun zur Erklärung an.
    „Der Junge weiß
nicht, wer ich bin. Er ist ein Bauer aus einem Dorf, das zum Besitz der Lemuzi
gehört. Mich hatte er vorher noch nie gesehen und ich habe ihm meinen Namen
nicht genannt. Und selbst wenn er ihn herausfände, wie soll er mit Geschenken
hierher kommen? Ein Bauer hat weder Silber noch Pferde.“
    Kazi fuhr sich
mit der Hand über die Stirn, ein Zeichen, dass die Neuigkeit sie verwirrte und
ihr nicht sogleich ein Rat einfiel. Das geschah selten.
    „Kennst du denn
den Namen des Dorfes, in dem er lebt?“, fragte sie schließlich.
    Libussa
nickte. 
    „Na, dann reite
hin.“ Kazi begann, ihre Utensilien in einen Beutel zu packen. Gespräche waren
für sie nie ein Grund zur Untätigkeit gewesen.
    „Einfach so?“
Libussa fühlte sich verwirrt. Der Rat klang einleuchtend und war dabei
ungeheuerlich. Männer begaben sich zu Frauen, nicht umgekehrt. So forderte es
die Tradition.
    „Wie anders als
einfach so? Du nimmst ein Pferd, setzt dich drauf und reitest los. Was ist so
schwer daran?“
    „Vielleicht
denkt er nicht mehr an mich?“, murmelte Libussa
    „Das“, erklärte
Kazi schulterzuckend, „wirst du nur herausfinden, wenn du zu ihm reitest.
Außerdem kennst du ihn noch kaum. Vielleicht siehst du etwas in ihm, das er gar
nicht ist. Die Wirklichkeit ist meist ein besseres Heilmittel gegen
schwärmerische Sehnsucht als alle Tränke, die ich dir zur Beruhigung anbieten
könnte. Sieh dir den Jungen genauer an, vielleicht ist der Spuk dann auch schon
vorbei. Du kannst natürlich auch weiter schmachten und dich quälen, wenn es dir
so lieber ist. Ich muss jetzt aber gehen. Kveta hat mir erzählt, dass ihre
Schwester einen schlimmen Husten hat, und ich habe versprochen, nach ihr zu
sehen.“
    Sie machte sich
rasch und zielstrebig auf den Weg, wie es ihre Art war. Manchmal schien sie wie
ein Wesen aus anderen Gefilden, das sich in diese Welt verirrt hatte und nicht
aufhören konnte, über das merkwürdige Verhalten ihrer Bewohner den Kopf zu
schütteln.
     
    Libussa ritt bereits am nächsten
Tag nach Staditz. Sie hatte eine Nacht wach gelegen und sich den Kopf
zerbrochen, ob sie Kazis Rat befolgen sollte oder nicht. Allein das Wissen,
dass ihr noch weitere solche Nächte bevorstanden, wenn sie länger wartete,
drängte sie zu handeln. Sie kannte Zabrusany, die Festung der Lemuzi, wo sie
als Kind einige Male zu Besuch gewesen war, doch zog sie es vor, dort nicht mit
derart ungewöhnlichen Fragen aufzutauchen. Fürstin Olga wäre sofort neugierig
geworden und hätte die Geschichte überall herumerzählt. Libussa tauschte ihre
verzierte Kopfbedeckung gegen das schlichte Tuch, das die Bäuerinnen trugen.
Auch die silberne Kette verbarg sie in einer Kiste bei ihrer Bettstatt. In den
Beinkleidern, ihren geschnürten Stiefeln und der Tunika eines Reiters machte
sich Libussa auf den Weg, noch bevor ihre Familie aufgewacht war. Sie erzählte
den Wachen am Tor, sie sei zu der keltischen Priesterin unterwegs, und schämte
sich sogleich für ihre Lüge.
    Der Weg erschien ihr endlos. Sie erreichte das
Gebiet der Lemuzi zwar rasch, doch musste sie sich von Ort zu Ort durchfragen,
um Staditz zu finden. Dabei gab sie vor, ein Bauernmädchen aus dem Land der
Polanen zu sein, das weit entfernt lebende Verwandte besuchte.

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