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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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dazwischen gegangen, was hätte
dann noch alles geschehen können? Sie ahnte, dass die eigentliche Schuld bei
Olga lag, die ihre Söhne stets verteidigte, ganz gleich, wie sie sich
verhielten. Ihre Tochter Ludmilla hingegen konnte ihr nie etwas recht machen.
„Haben Vojtan und Neklan oft solche Dinge getan?“, fragte sie verunsichert.
    Premysl blickte
weiter starr in den Wald hinein, während er erzählte: „Die Lemuzi verlangen
immer höhere Abgaben von den Bauern. Wer sich weigert, ihnen seine Vorräte zu
geben, dessen Hütte wird des Nachts überfallen und angezündet. Die Fürstin Olga
mag Schmuck und schöne Kleider. Letzten Winter war ein Pelzhändler aus dem Land
Rus hier. Er bot herrliche Felle an, von silbernen Füchsen, die es angeblich in
Ländern gibt, wo ewiger Frost herrscht. Dafür gab ihm die Fürstin alle
Getreidevorräte und das Vieh auf der Festung. Er zog mit mehreren Karren fort.
Ihre Söhne holten sich dann unser Vieh und plünderten die Getreidespeicher.
Danach konnten wir kaum noch unsere Mägen füllen.“
    „Aber das
entspricht nicht den Regeln!“, rief Libussa empört. „Ein Volk braucht
Fürstinnen, die Recht sprechen, und männliche Oberhäupter, um Krieger
auszubilden und Angriffe abzuwehren. Doch mehr als ein Zehntel der Ernte müssen
die Bauern ihnen nicht geben, und zu Notzeiten nicht einmal das.
Getreidevorräte auf der Festung dienen zur Absicherung und werden an die Bauern
verteilt, wenn Hunger herrscht. Fürstin Olga tut Unrecht. Ihr solltet nach
Chrasten gehen und euch bei dem Stammesführer Krok beschweren oder bei der
Fürstin Scharka. Sie ist Hohe Priesterin des ganzen Volkes der Behaimen.“
    Diesmal war es
an Premysl, laut aufzulachen. „Und du meinst, das würde uns helfen? Krok ist
ein kluger Mann. Er weiß, dass zwischen allen Stämmen Einigkeit herrschen muss,
damit kein anderes Volk uns überfallen kann. Glaubst du wirklich, er verärgert
die Fürstin Olga wegen ein paar unzufriedener Bauern und riskiert so eine Fehde
mit den Lemuzi? Vielleicht bekommt sie eine Ermahnung, aber ändern wird das
nichts. Im Gegenteil, die Lemuzi gehen immer härter vor gegen Leute, die
aufmucken.“
    Libussa
versetzte der Erde zu ihren Füßen einen Tritt. Sie hätte Premysls Behauptungen
gern widerlegt. Seine Geschichten widersprachen allem, was man sie über Sitten
und Ordnung in ihrem Volk gelehrt hatte. Doch sie hatte mit eigenen Augen
gesehen, wie Olga sich bei einer Zurechtweisung ihrer Söhne verhalten
hatte. 
    „Und ich
fürchte, es wird noch schlimmer werden, wenn die alte Fürstin stirbt“, fuhr
Premysl auch schon fort. „Dann reißen Neklan und Vojtan die ganze Macht an
sich. Am Ende bekriegen sie sich noch untereinander, denn sie sind Hitzköpfe.“
    „Es steht nur
Ludmilla zu, die Nachfolge anzutreten. Ihre Brüder dürfen nicht ohne ihr
Einverständnis handeln“, flüsterte Libussa, nun weitaus unsicherer als am
Anfang.
    Premysl
schüttelte den Kopf. „Du kennst Ludmilla wohl nicht. Sie ist ein lieber Mensch,
die Netteste in ihrer Familie, doch sie kann sich nicht durchsetzen. Allein hat
sie gegen ihre Brüder keine Chance. Und ihre Mutter erlaubt ihr nicht, sich
einen Mann zu nehmen. Alle Bewerber wurden fortgeschickt. Die Fürstin Olga
will, dass ihre Söhne an die Macht kommen. Das sind die neuen Sitten. Bei den
germanischen Stämmen ist es bereits so. Die Zlicany haben jetzt auch einen
männlichen Fürsten, hat man mir erzählt.“
    Libussa nickte.
Krok und ihre Mutter hatten das geduldet, weil kein geeignetes Mädchen zur
Verfügung stand. Aber vielleicht hatte Premysl Recht. Womöglich war eine innere
Angelegenheit eines anderen Stammes es ihrem Clan nicht wert gewesen, eine
Fehde zu riskieren. Sie musterte den klugen jungen Mann an ihrer Seite, der
immer noch in die Ferne sah, als fürchte er sich vor ihrem Blick. Wie viel Zorn
und Bitterkeit aus seinen Worten sprach! Plötzlich hatte sie den Wunsch, ihn zu
berühren, fürchtete aber, er würde sie zurückweisen. Bisher hatte er keinerlei
Freude über ihr Kommen gezeigt. Vermutlich hatte er hat ganz andere Sorgen, als
einer Liebesnacht im Wald nachzuhängen. Und wenn er wüsste, wer sie war,
vielleicht würde er sie ebenso verabscheuen wie den Fürstenclan der Lemuzi. Sie
suchte nach einer Entschuldigung, wie sie noch vor dem Essen verschwinden
könnte, doch auf einmal spürte sie Premysls Hand an ihrem Arm. Eine leichte
Berührung, als habe der Wind sie gestreift.
    „Du siehst
unzufrieden aus. Ich

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